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von Kupfer, Zinn, Zink oder wie Salpeter bekanntlich nur in größerer Dosis giftig
wirken, deren giftige Eigenschaft aber keinem Zweifel unterliegt, aus der Kategorie
der Giste ausgeschlossen bleiben? Auch die Forderung, daß der Stoff durch seine
chemische Beschaffenheit die Gesundheit zerstöre, ist eine zu weit gehende. Müssen
wir auch zugeben, daß die bei weitem meisten Stoffe, welche wir als Gifte anzusehen
gewohnt sind, vermöge ihrer chemischen Beschaffenheit einen die Gesundheit zer-
störenden Einfluß ausüben, so giebt es doch auch immerhin einige Substanzen,
welche innerlich beigebracht, auf mechanische Weise zerstörend wirken können, wie
z. B. gepulvertes Glas. Das Kriterium, durch die chemische Beschaffenheit zer-
störend zu wirken, trifft fernerhin nicht zu bei den sog. organisirten Giften, d. h.
den gewissen Infektions= und parasitären Krankheiten zu Grunde liegenden Krank-
heitserregern, durch welche zwar kaum eine beabsichtigte, wohl aber durch Fahrlässig-
keit verschuldete Zerstörung der Gesundheit herbeigeführt wird. In dieser Beziehung
sei nur an V. durch Trichinen und Milzbrand erinnert. — Im Bewußtsein der
Schwierigkeiten, ja der Unmöglichkeit, eine für alle Fälle genügende Definition des
Begriffes Gift festzustellen, hat der Gesetzgeber dem § 229 des Straf GB. für das
Deutsche Reich folgende Fassung gegeben:
„Wer vorsätzlich einem Anderen, um dessen Gesundheit zu beschädigen, Gift oder
andere Stoffe beibringt, welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind, wird mit
Zuchthaus bis zu 10 Jahren bestraft. “
In gleicher Weise fügt er in dem die V. von Brunnen 2c. betreffenden §. 324
des StrafG B. dem Worte „vergiftet“ hinzu: „oder Stoffe beimischt, von denen ihm
bekannt ist, daß sie die menschliche Gesundheit zu zerstören geeignet sind.“ Durch
den Zusatz: „oder andere Stoffe, welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind“,
hat der Gesetzgeber, wie die Motive zu § 229 des Näheren ausführen, geglaubt,
hinreichend angedeutet zu haben, daß nach der Meinung des Gesetzgebers auch Gift
objektiv dieselbe Eigenschaft besitzen müsse. Durch diese Fassung der erwähnten
Gesetzesparagraphen ist der Gesetzgeber den Ansprüchen der praktischen Rechtspflege
in Bezug auf die Frage, von welcher Qualität ein Stoff sein müsse, um in die
Kategorie der Gifte gerechnet zu werden, in völlig genügender Weise gerecht ge-
worden. In Anbetracht dieser Fassung des Strafgesetzes ist es nicht nöthig, im
konkreten Falle weitgehende Erörterungen und Untersuchungen anzustellen, ob denn
eine Substanz wirklich zu den Giften gehöre, es genügt, sich die Frage vorzulegen,
ob die Beibringung dieser Substanz geeignet sei, die Gesundheit zu zerstören. Muß
diese Frage bejaht werden, so bleibt es im Uebrigen gleich, ob jene Substanz ver-
möge ihrer chemischen Natur, oder durch mechanische Einwirkung oder, wie bei den
organisirten Giften, durch die ihnen innewohnenden lebendigen Kräfte schädlich wird.
Vermöge der Fähigkeit in den Körper eingeführt, die Gesundheit zu zerstören, ge-
hört sie zu den Giften, die Beibringung derselben bildet eine V.
Nicht vermieden ist aber durch jene Fassung des Gesetzesparagraphen die sich
in der Praxis zuweilen geltend machende Schwierigkeit der Entscheidung, ob die
Quantität eines Stoffes als Gift im Sinne des Gesetzes anzusehen ist. Alle Sub-
stanzen, mit etwaiger Ausnahme der organisirten Gifte, werden zum „Gift“" erst in
einer gewissen Dosis, in unzureichender Quantität vermögen sie nicht eine die Ge-
sundheit zerstörende Wirkung zu entfalten. Dieselben Stoffe, welche in einer ge-
wissen Dofis als Gifte wirken, resp. die Gesundheit zu zerstören geeignet sind, können
in kleiner Menge als Atzneimittel gebraucht, zur Wiederherstellung der Gesundheit
dienen. In naturwissenschaftlich-medizinischer Beziehung hören deshalb Stoffe, die
sonst unzweifelhaft als Gifte zu betrachten sind, auf, das zu sein, wenn ihre Quan-
tität nicht eine gewisse Größe erreicht. Dabei ist es freilich sehr schwer, die Dosis,
welche hinreicht, eine die Gesundheit zerstörende Wirkung auszuüben, für jedes ein-
zelne Gift genau anzugeben. Dann kommen naturgemäß bei der Entscheidung der
Frage nach der genügenden Dofis für den Arzt auch die individuellen Verhältnisse