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andere gemeinrechtliche Vorschrift, daß ein V. über Ansprüche aus einem Testa-
ment unzulässig sein soll, wenn der Streit durch Einsicht der Testamentsurkunde
geschlichtet werden kann. Wie weit diese Beschränkungen ins Preuß. LR. übergegangen
sind (I. 16 §§ 409, 442), ist streitig (Dernburg contra Förster). Vgl. Oesterr.
B#. § 1383.
2) Den häufigsten Anlaß zum V. bildet die Bestrittenheit eines Anspruchs.
In dieser Anwendung hat der V. Verwandtschaft mit dem Urtheil, bezweckt wie
dieses ein Ende des Streits und schillert daher in zwei Farben: er ist Vertrag und
hat doch etwas Urtheilsartiges (instar judic). Je nachdem eine Gesetzgebung das
eine oder das andere Element mehr in den Vordergrund stellt, wird die Ausgestal-
tung des Instituts verschieden ausfallen. Das Röm. Recht betont das Judikat-
mäßige im V. stärker als die neueren Gesetzbücher, so daß die Zahl der Rechtssätze,
welche der V. mit dem Urtheil gemein hat, dort zahlreicher sind als hier.
3) Bei dem V. muß jeder Theil ein Opfer bringen, sei es, daß er von seinem
wirklichen oder vermeintlichen Anspruch etwas nachgiebt oder daß er sich zu einer
Leistung an den anderen Theil versteht. Es schadet der Gültigkeit des V. nicht,
daß sich hinterher erweist, der von dem einen Theil ganz oder theilweise aufgegebene
Anspruch habe gar nicht bestanden; denn es wird überall nur subjektive Ungewiß-
heit, d. h. Ungewißheit im Bewußtsein der Parteien gefordert. Die Auffindung
neuer Beweismittel, namentlich von Urkunden, welche das frühere Rechtsverhältniß
klar stellen und darthun, daß der eine Theil durch den Vergleichsschluß sachlich
stark, vielleicht über die Hälfte geschädigt wurde, berechtigt nach Röm. Recht
zur Umstoßung des V. so wenig wie zur Umstoßung eines Urtheils (val. auch
Oesterr. BGB. 8§ 1386, 1387). Nachgiebiger erweist sich hierin das Preuß. LR.
(I. 16 88 420, 421). Wenn freilich ein Theil im Bewußtsein von dem Ungrund
seines Anspruchs oder feiner Bestreitung den V. geschlossen hat, so unterliegt
der V. den Folgen der arglistigen Handlungsweise eines Vertragstheils, nach Röm.
Recht der Anfechtung (ähnlich Preuß. LR. I. 16 § 419). Nach einer verbreiteten
Ansicht soll der V. über einen bestrittenen Anspruch auch dann ansfechtbar sein,
wenn sich ein solcher Umstand als unrichtig herausstellt, der von den Parteien beim
V. schluß übereinstimmend als zweifellos vorausgesetzt wurde, sei es die Wahr-
heit einer als nicht wahr oder die Unwahrheit einer als wahr angenommenen That-
sache. Andere fassen den Satz dahin, daß der V. gegen solche spätere Beanstan-
dungen des einmal verglichenen Anspruchs nicht schütze, welche den Vertragstheilen
beim V.schlusse nicht bekannt waren. Eine derartige Vorschrift findet sich im
Sächs. BGB. § 1411. Das Röm. Recht stellt auch hier den V. mit dem
Urtheil auf eine Linie, verwirft jene Anfechtbarkeit oder Unverbindlichkeit als Regel
(const. 23 de transact. 2, 4) und erkennt sie, wiederum im Einklang mit den
Urtheilsgrundsätzen, nur für den Fall an, daß der V. auf Grund gefälschter
Urkunden geschlossen wurde (const. 42 eod.). Mehr Berechtigung mag die bekämpfte
Theorie für den Standpunkt des Preuß. und Oesterr. Rechts haben (Allg. LR. I.
16 § 417; Oesterr. BS B. § 1385; Entsch des ROHG. XIV. S. 135). Hat sich
bei dem V. ein Rechnungsfehler eingeschlichen, so begründet dies zwar weder Nich-
tigkeit noch Anfechtbarkeit des Geschäfts, wohl aber den Anspruch auf Berichtigung,
wie beim Urtheil. Damit fällt freilich die Verbindlichkeit des V. für den Gegner,
wenn ihn nachweisbar die höhere Ziffer zur vergleichsmäßigen Beilegung des Streits
bewogen hat.
4) Das Zugeständniß kann von jeder Partei am streitigen Rechtsverhältniß
selbst gemacht werden, z. B. der als Schuldner in Anspruch Genommene erkennt im
V.weg die Schuld auf die Hälfte des Geforderten an. Was aber der eine Theil
für den Streitabstand des anderen leistet oder verspricht, kann auch einen andern
Inhalt haben; es eignet sich hierzu jede Vermögenszuwendung, Uebertragung des
Eigenthums an einer Sache, Begründung oder Aufgebung einer Dienstbarkeit,