1036 Verjährung.
Von der zweiten dieser beiden Formen, und zwar hier wieder eher von der
Anschauung des Rechtserwerbs als von der des Rechtsverlustes, geht die Geschichte
der V. bei den Römern aus, indem angenommen wurde, daß, wer den Besitz seiner
Sache einem anderen bona fice Empfangenden 1 oder 2 Jahre überlasse, sein
dominium an jener verliere (usucapio). Wenn es gleichzeitig auch, namentlich nach
dem Edikt des Prätors, Klagerechte mit kurzen Fristen gab, so waren diese Fristen
noch nicht so gemeint, wie dies bei der ersterwähnten der beiden V.sormen voraus-
gesetzt wurde, nämlich so: daß bei rechtzeitiger Geltendmachung das Recht auch
über die V.zeit hinaus erhalten blieb; vielmehr war es nach Ablauf der Frist
mit jenen kurzlebigen prätorischen Berechtigungen aus, mochte man sich auch mit
ihnen gerührt haben (pr. I. 4, 12). Erst spät im Kaiserrecht kam, und zwar
naturgemäß zuerst bei der Eigenthumsklage (weil hier die Analogie der Usukapion
am nächsten lag), die Auffassung zur Geltung, daß der Verlust eines Rechts lediglich
durch die Unthätigkeit des Berechtigten eintrete, während; wenn er nicht träge sei,
er sich das Recht in intinitum erhalte (s. Demelius, Geschichte der Klagen-V.,
in dessen Unters. aus dem Römischen Civilrecht, I. 1856, S. 5 ff.). Auch das
Deutsche Recht entwickelte vor der Rezeption des Römischen Rechts die zweite
V form zuerst, aber dieses vom Standpunkt der Rechtsverwirkung aus: es ließ den
Jahr und Tag hindurch unangefochten gebliebenen Erwerb einer Sache Dritten
Herraher zur „rechten Gewere“ erstarken (v. Gerber, Deutsches Privatrecht,
101).
Von den einzelnen V fällen ist hier nur die Klagen-V. näher ins Auge zu
fassen, da die übrigen einzeln verstreuten Fälle zu wenige gemeinsame Gesichtspunkte
bieten, um außerhalb ihres sonstigen doktrinellen Zusammenhangs behandelt werden
zu können (dazu gehört auch die aufhebende V. dinglicher Rechte), und da das
zweitwichtigste Institut der V.lehre, die Ersitzung, besonders bearbeitet worden ist.
Noch eine für alle V. gültige Bemerkung ist aber anzufügen, nämlich die, daß die
V. aus den bereits oben angegebenen Gründen juris publici ist, d. h. Parteiwille
kann deren Eintritt und Wirksamkeit nicht vor vollendeter V. abwenden, sondern
nur auf die Geltendmachung der bereis eingetretenen Wirkungen für eigene Person
verzichten (v. Savigny, System, V. 411 ff. führt das nur für die Klagen-V. aus).
Ferner ist ein Rückgängigmachen der V. nur auf dem Wege der Restitution in den
vorigen Stand möglich
Die sog. Klagen-V. ist die V. der klagbaren Ansprüche. Sie beginnt daher,
sobald ein solcher Anspruch gegen bestimmte Personen vorhanden ist. Zwar giebt
es unverjährbare Ansprüche, so gemeinrechtlich die Steuerforderungen des Fiskus,
die Klage auf Gemeinschaftstheilung, so lange die Gemeinschaft besteht, der im
Hypothekenbuch eingetragene Anspruch, nach Preußischem Recht das Wiederkaufsrecht
(Dernburg, § 167, 9). Allein die Regel ist, seit Theodosius II im Jahre 424
en. Chr. dies gesetzlich festgestellt hat (c. 3 C. 7, 39; c. 1 C. Theodos. 4, 14), die
Verjährbarkeit. Da fragt sich nun vor Allem, wann ein klagbarer Anspruch ent-
standen ist, wann man — so pflegt man das gemeinrechtlich auszudrücken — sagen
kann: actio nata est. Mit Entstehung eines klagbaren Rechts entsteht nicht noth-
wendig ein klagbarer Anspruch, nämlich nicht, solange den Rechtsgenuß Niemand
verhindert; er entsteht erst mit der Hinderung, z. B. bei dinglichen Rechten mit
dem Eingriff, dem Nichtdulden u. f. w., bei Forderungsrechten auf non facere mit
dem Zuwiderhandeln. Bei den auf Handeln gehenden Forderungsrechten, sowie den
dinglichen Ansprüchen auf Rückgabe (z. B. bei precarium) wird indessen kein
positives Hindern des Berechtigten verlangt, um die Forderungsklage zur „Nativität"
zu bringen, es genügt hier eine Passivität des Schuldners, es genügt, daß der
Leistungsanspruch fällig sei; dies selbst dann, wenn nach dem Inhalt des Forderungs-
rechts der Gläubiger zum Abholen der Leistung verpflichtet wäre. Die Fälligkeit