Verlöbniß. 1049
Gesetz § 1 verlangt dagegen nur dann Eingehung des V. vor zwei Zeugen oder vor
Gericht, wenn es für beide Theile weder der Einwilligung des leiblichen oder Adop-
tivvaters noch der der Mutter bedarf. Eine Verbindlichkeit zur Eheeingehung ent-
stand nach Römischem Recht durch das V. nicht, ebensowenig war die Festsetzung
einer Konventionalstrafe für den Weigerungsfall gültig. Dagegen ist das letztere
nach Gem. katholischen und protestantischen Kirchenrecht (allerdings nicht unstreitig),
auch nach Preuß. Recht (a. a. O. § 114) zulässig, während die Partikularrechte
theilweise (s. Sächs. BGB. § 1580, Oesterr. BS . § 45) auf dem Roömisch-recht-
lichen Standpunkte stehen. Auch eine Klage auf Eheeingehung hat das Gem. Recht
ebenso wie das Preuß. a. a. O. § 82 gestattet, aber ein Zwang gegen den reni-
tenten Theil ist allein im katholischen Kirchenrecht vermittelst geistlicher Censuren
erlaubt, während sich sonst, resp. auch bei Erfolglosigkeit der geistlichen Zwangs-
mittel, der Anspruch in eine Entschädigungsforderung (s. nachher) auflöst, welche
einzelne Partikularrechte, so Sächs. BGB. §§ 1579, 1581; Oesterr. BGB. § 46,
überhaupt als die einzige rechtliche Folge eines gültigen V. hinstellen. Dagegen
hat die protestantische Praxis früher eine Zwangstrauung (so namentlich in Sachsen,
Württemberg, Neuvorpommern, Schleswig-Holstein) dann angewendet, wenn die
Braut unter dem Versprechen der Ehe geschwängert war. Ueber die Anfechtung
eines formell gültigen V. gelten auch im katholischen Kirchenrecht die allgemeinen,
für alle Verträge zur Anwendung kommenden Grundsätze, und weil dasselbe — ab-
weichend von der Ehe — unter diesen allgemeinen Regeln steht, ist auch nach allen
Rechten die Hinzufügung von Bedingungen bei der Eingehung statthaft, deren Wir-
kung sich wieder nach der civilrechtlichen Theorie über dieselben bestimmt. Eine
Aufhebung des gültigen V. ist unter Einwilligung beider Theile nach Gem. Recht
und nach den meisten Partikularrechten (s. Preuß. Allg. LR. a. a. O. §. 122;
Sächs. BGB. § 1584; Oesterr. BG. 8§ 46) gestattet; allerdings hat die frühere
protestantische Doktrin, weil sie ein öffentliches unbedingtes V. in seinen Wirkungen
der Ehe gleichstellte, die Auflösung durch ehegerichtliches Dekret für nöthig erachtet,
eine Anschauung, welche sich noch vereinzelt (so in Kurhessen) erhalten hat. Ferner
ist nach allen Rechten eine Klage auf Auflösung des V. seitens eines der Verlobten
zulässig, wenn derselbe hinreichende Gründe zum Rücktritte hat. Nach Gem. Recht
sind als solche zu betrachten die Verletzung der Verlöbnißtreue durch Unzucht, Ab-
schließung anderweitiger Sponfalien, sowie durch absichtliche und grundlose Ver-
zögerung der Eheschließung, ferner der Eintritt solcher Veränderungen in den Ver-
hältnissen des anderen Theiles, welche nach vernünftigem. Ermessen den ersteren,
wären sie ihm früher bekannt gewesen, von Schließung des V. abgehalten haben
würden (also erhebliche körperliche Gebrechen, ansteckende Krankheiten, bedeutende
körperliche Verunstaltung, Begehung grober Verbrechen, eingetretene Nahrungslosigkeit,
Konfessionswechsel u. s. w.), endlich der Umstand, daß derartige Verhältnisse, welche
früher vorhanden waren, dem Klagenden unbekannt geblieben, oder ihm gar ver-
heimlicht worden sind. Das Sächs. BGB. § 1582 steht auf demselben Standpunkte,
faßt aber die Fälle der erstgedachten Kategorie unter der Bezeichnung: „alle Gründe,
aus welchen eine Ehe angefochten oder deren Scheidung verlangt werden kann“,
zusammen. Dasselbe gilt von dem Preuß. Allg. LR., welches die einzelnen Fälle
am genauesten spezifizirt, s. a. a. O. §§ 100—111, 135, 61, 62, 63. Dagegen
überläßt das Oesterr. BGB. § 46 die Feststellung dessen, was eine „gegründete
Ursache“ ist, stillschweigend dem richterlichen Ermessen. Hinsichtlich der vermögens-
rechtlichen Folgen der Auflösung des V. sind die verschiedenen Arten derselben zu
unterscheiden: 1) Bei Aufhebung des V. durch gegenseitige Einwilligung oder in
Folge eines Grundes, bei welchem keinem Theil eine Verschuldung zur Last füllt,
wird die sog. arrha sponsalitia, d. h. das zum Zeichen des eingegangenen V. Ge-
gebene (Deutsch Mahlschatz), nach Gem. Recht und Sächf. BGB. § 1584 zurück-
gewährt (das Preuß. Allg. LR. und Oesterr. BGB. erwähnen der arrha sponsalitia