820 Streitwerkündung.
Streitverkündung (litisdenunciatio) ist die Aufforderung seitens einer Partei
(Streitverkünder, Litisdenunziant) an einen Dritten (Litisdenunziaten), ihr in einem
Prozesse zur Seite zu treten und ihr in demselben zu assistiren. Sie kann erfolgen,
wenn die Hauptpartei für den Fall des Unterliegens im Rechtsstreit einen Regreß
oder Entschädigungsanspruch zu haben glaubt (seitens des Käufers gegen den Ver-
käufer, des Bürgen gegen den Hauptschuldner) oder den Anspruch eines Dritten be-
sorgt (z. B. seitens des Kommissionärs, welcher einen Prozeß für Rechnung des Kom-
mittenten führt). Ob dagegen die Partei behufs Vermeidung rechtlicher Nachtheile
zur S. verpflichtet ist, entscheidet sich nach dem Civilrecht. — Statthaft ist die S.
bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Sache, also auch noch in der Berufungs-
und Revisionsinstanz. Sie geschieht durch Zustellung eines Schriftsatzes, welcher den
Grund der S. und die Lage des Rechtsstreites angeben muß, auch ist der Gegen-
partei (in formloser Weise) Abschrift mitzutheilen. Tritt der Dritte dem Streitver-
künder bei, was durch Zustellung eines Schriftsatzes zu erfolgen hat, so entsteht ein
der Nebenintervention gleiches Verhältniß. Der Dritte und der Nebenintervenient
sind Vertreter der Hauptpartei, welcher sie assistiren, kraft eigenen Rechtes, und zwar
zu dem Zweck ihr zum Siege zu verhelfen. Daher können sie wol Behauptungen
des Gegners bestreiten, Eide zuschieben, aber nicht zugeschobene Eide annehmen, noch
weniger civilrechtliche Geschäfte, wie Vergleiche, Verzichtleistungen, Anerkennungen des
Anspruchs für die Partei vornehmen. Weiter sind sie nach positiver Vorschrift in der
Art der Prozeßführung insofern beschränkt, als alle ihre prozessualischen Erklärungen
und Handlungen, welche mit solchen der Hauptpartei in Widerspruch stehen, wir-
kungslos sind. Jedoch bezieht sich dies blos auf ein widersprechendes Thun oder
Reden der Hauptpartei, nicht auf ein bloßes Unterlassen, so daß der Litisdenunziat,
wie der Nebenintervenient durch eigenes Handeln die Folgen partieller oder totaler
Versäumniß von der Partei abwenden, und auch bei nicht erfolgendem Widerspruch
der Hauptpartei Rechtsmittel einlegen kann.
Obwol das im Rechtsstreit ergehende Urtheil nur unter den Hauptparteien
das streitige Rechtsverhältniß entscheidet, so wird der Dritte, welchem der Streit
verkündet worden ist, oder der Nebenintervenient in seinem Verhältniß zu der Haupt-
partei nicht mit der Behauptung gehört, daß das ergangene Urtheil nicht richtig
entschieden habe, dagegen können sie den Einwand, daß die Partei den Rechtsstreit
mangelhaft geführt habe, insoweit wirksam erheben, als sie durch die Lage des
letzteren zu der Zeit, wo in Folge der S. der Beitritt möglich war (oder bei der
Nebenintervention zur Zeit des Beitritts) gehindert worden sind, Angriffs= oder
Vertheidigungsmittel geltend zu machen oder als ihnen unbekannte derartige Mittel
von der Hauptpartei absichtlich oder aus grobem Versehen nicht geltend gemacht
worden sind. Wenn indessen ausnahmsweise nach bürgerlichem Rechte die Rechts-
kraft der Entscheidung im Hauptprozeß auf das Rechtsverhältniß des Litisdenun-
ziaten oder des Nebenintervenienten zu dem Gegner von Wirksamkeit ist, so soll so-
wol der Litisdenunziat, wie der Nebenintervenient „als Streitgenosse der Haupt-
partei“, welcher er asfistirt, „gelten“, d. h. wenn er auch nicht insoweit Partei wird,
daß er seinerseits in dem Hauptprozesse, wie sonst der Streitgenosse, etwas für sich direkt
erstreiten oder verlieren kann, so steht er doch in diesem Fall neben der Partei,
welcher er Beistand leistet, völlig felbständig, er kann nach der positiven Vorschrift
des Gesetzes nicht mehr als Vertreter der Hauptpartei betrachtet werden, was freilich
bestritten ist, und ist also auch befugt, Handlungen und Erklärungen vorzunehmen,
welche mit denen der Hauptpartei in Widerspruch stehen. — Der Litisdenunziat
kann seinerseits, wenn er in den Hauptprozeß eingetreten ist, eine weitere S. unter
denselben Voraussetzungen, an seinen Vormann ergehen lassen. — Lehnt der Litis-
denunziat den Eintritt in den Prozeß ab, so wird der Rechtsstreit ohne Rücksicht
auf ihn fortgesetzt. Ueber die Folgen der Unterlassung des Eintrittes hinsichtlich
des Verhältnisses des Streitverkünders zum Litisdenunziaten wird in dem im Haupt-