1066 Verpflichtungsschein.
Lit.: v. Kräwel, v. Hahn und Makower, Kommentare zu den erwähnten Artikeln
des HG GV. — Struckmann in Gruchot's Beiträgen XVI. S. 803.— Wolff in
Busch's Archiv X. S. 49 ff. v. Kräwel.
Verpflichtungsschein (in gewissem Sinne und unter bestimmten Voraus-
setzungen: Franz. billet à ordre. Engl. promissory note) ist im Allgemeinen eine Ur-
kunde, welche einer Obligation nicht blos als Beweismittel, sondern als Träger zu
dienen bestimmt ist. Als besonderes Rechtsinstitut erscheint und muß dargestellt
werden der kaufmännische V., nämlich der von einem Kaufmanne in seinem Handels-
betriebe ansgestellte V.; ein solcher V. ist „ein schriftliches, einseitiges Summenver-
sprechen eines Kaufmanns" (rhör) und kann durch Indossament übertragen werden
(ist also ein Orderpapier, s. d. Art.), wenn folgende vier Voraussetzungen zu-
sammentreffen:
1) Er muß von einem Kaufmann, d. i. Jemandem, der gewerbsmäßig Handels-
geschäfte betreibt, ausgestellt sein, und zwar in dessen Eigenschaft als Kaufmann;
der V. braucht die Kaufmannseigenschaft seines Ausstellers zwar nicht ausdrücklich
zu erwähnen, aber die Ausstellung muß im Betriebe des Handelsgewerbes vorge-
nommen worden sein, ein Erforderniß, welches zwar nicht ausdrücklich aufgestellt,
wol aber stillschweigend aus der Hervorhebung der Kaufmannseigenschaft des Aus-
stellers sich ergiebt (s. v. Hahn a. a. O. II. S. 67—68, 127).
2) Die vom V. getragene Obligation darf nur Leistungen von Geld oder einer
Quantität (anderer) vertretbarer Sachen oder Werthpapiere zum Gegenstande haben
(nicht aber die Lieferung einer individuell bestimmten Sache) (s. Makower a. a. O.
S. 316, Protokolle S. 4569).
3) Es darf im V. die Verpflichtung zur Leistung nicht von einer Gegenleistung
abhängig gemacht (d. h. in dem Papier selbst nicht von einer Gegenleistung, z. B.
Zahlung des Kaufpreises abhängig erklärt) sein; die Verpflichtung zur Leistung
darf also nicht an die Bedingung einer Gegenleistung im V. geknüpft sein (s. hierüber
das ausführliche Erk. des RO#H. Entsch. Bd. XXIV. S. 237—242; Fuchs-
berger a. a. O. S. 397—400). An andere Bedingungen kann das Versprechen
der vom Aussteller des V. übernommenen Leistung allerdings gebunden werden, und
so ist z. B. als eine sich mit dem Wesen des V. sehr wohl vertragende Bedingung
im V. die der Rückgabe desselben anzusehen (s. Entsch. d. ROHG. ebenda Bd. XIX.
S. 278; Makower a. a. O.).
4) Der V. muß, um indossabel zu sein, an Order lauten, d. h. die Order-
klausel oder einen gleichbedeutenden Negoziabilitätsvermerk aussprechen (z. B. neben
dem Namen des ersten Nenners die Worte: „oder Inhaber" oder „oder dem sonstigen
getreuen Inhaber“, s. Entsch. d. ROHG. Bd. XXIII. S. 296; Makower a. a. O.).
Die Angabe des Verpflichtungsgrundes, materielle causa debendi, ist zur Gültigkeit
des V. oder seines Indossaments nicht erforderlich, und wenn sie fehlt, ist der V.
das (von Thöl hervorgehobene) „Summeuversprechen“; der kaufmännische V. ist
ein solcher, selbst wenn er nicht an Order lautet, mithin nicht indossabel ist; hiernach
hat das absolute Versprechen im V. rechtliche Gültigkeit erlangt, ohne daß jedoch
gesagt werden darf, der V. konsumire das zur Hand liegende materiell individnalifirte
Schuldverhältniß: daraus folgt, daß der Aussteller eines V. trotz der abstrakten
Obligation desselben doch gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger (d. i. dem
Gläubiger aus dem zu Grunde liegenden materiellen Schuldverhältnisse) nicht blos
befugt ist, das Summenversprechen, als auf Irrthum, Betrug oder dgl. beruhend,
anzufechten, sondern auch, auf das zu Grunde liegende Rechtsverhältniß selbst ein-
gehend, darthun kann, daß es an einem rechtlichen Verpflichtungsgrund fehle (s. Entsch.
d. ROG. Bd. XIII. S. 74; Bd. VII. S. 204, 209).
Man kann verschiedene Arten von V. unterscheiden: außer kaufmännischen
und nichtkaufmännischen, indossable und nichtindossable, abstrakte und individuell
charakterisirte (nur die ersteren, nicht die an Order und nach Sicht gestellten