Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1068 Versäumniß. 
die zwiespältige Stellung, welche die CPO. zum Eventualprinzip einnimmt. Nach 
§5 256 der CPO. können Beweismittel und Beweiseinreden bis zum Schluß der 
mündlichen Verhandlung vorgebracht werden, auf welche das Urtheil ergeht, nur 
dürfen dieselben auf Antrag vom Gericht kraft Souveränitätsbefugniß zurückgewiesen 
werden, wenn ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern und das 
Gericht die Ueberzeugung gewinnen sollte, daß sie absichtlich oder aus grober Nach- 
lässigkeit früher nicht vorgebracht worden. Demgemäß können Zeugen, Sachver- 
ständige, Editionsgesuche gegen Dritte auf Antrag zurückgewiesen werden, wenn ihre 
Benennung bzw. Stellung nach dem Beweisbeschluß geschehen ist. Nach diesen 
Bestimmungen erscheint die Beweismittelangabe nicht schon mit dem Beweisbeschluß, 
sondern erst mit dem Schluß der Verhandlung, auf welche das Urtheil ergeht, ver- 
säumt; aber nicht V., sondern richterliche Ausschließung wegen Chikane oder grober 
Nachlässigkeit liegt vor, wenn sie nach dem Beweisbeschluß benannt und auf Antrag 
zurückgewiesen werden. Die Motive (S. 169, 248) freilich nehmen hier V. an und 
gestatten eine purgatio contumaciae, welche, wie es scheint, in die unmittelbare 
Sistirung der nachträglich benannten Zeugen und Sachverständigen im Termin gesetzt 
wird. Wäre diese Sistirung purgatio contumaciae, Nachholung der versäumten 
Handlung, so wäre das V. durch sie geheilt, und das Gericht müßte die Zeugen 
zulassen, ob durch ihre Vernehmung eine Verzögerung einträte oder nicht. Allein 
das Gericht ist berechtigt, auch trotz der Sistirung die Vernehmung oder weitere 
Vernehmung zu weigern, wo eine größere Zahl solcher Zeugen oder Streitigkeiten 
über Weigerung des Zeugnisses oder über die Vereidigung das Ende aubhalten 
würden. Die Sistirung bedeutet also keine Nachholung einer versäumten Handlung, 
sondern beseitigt unter Umständen eine Bedingung richterlicher Ausschließung der 
Vernehmung. Die Ausschließung des Eventualprinzips würde ferner eine Parteie 
als säumig nicht ansehen lassen, welche im Termin der Beweisaufnahme nicht er- 
scheint; dieselbe würde daher eine wegen ihres Ausbleibens unterlassene Beweisauf- 
nahme oder eine Vervollständigung einer ungenügend ausgefallenen Beweisaufnahme 
noch im Schlußtermin der mündlichen Verhandlung fordern können. Der § 332 
der CPO. gestattet ihr einen dahin gehenden Antrag bis zum Schluß der münd- 
lichen Verhandlung aber nur dann, wenn das Verfahren dadurch nicht verzögert wird 
und sie glaubhaft macht, daß sie ohne ihr Verschulden im Termin ausgeblieben, 
bzw. daß durch ihre Abwesenheit eine wesentliche Unvollständigkeit der Beweis- 
aufnahme eingetreten sei. Hiernach muß der Beweistermin für peremtorisch und 
das Eventualprinzip bezüglich seiner für beibehalten erachtet werden, und die Heilung 
des V. erfolgt nicht im Wege der purgatio contumaciae, wie die Motive annehmen, 
sondern auf Gründe, wie sie der gemeinrechtlichen Restitution eigen sind. — Das 
V. hat im Prozeß seine Folgen: zunächst treffen den Säumigen die Kosten, soweit 
sie durch sein V. verursacht sind, weshalb er auch fast immer die Kosten des Ein- 
spruchs und der Wiedereinsetzung trägt; sodann aber leidet er, abgesehen von der 
Anwendung von Zwangsmitteln zum Erscheinen in Ehe= und Entmündigungssachen, 
auch Nachtheile hinsichtlich seiner Rechtsverfolgung, es wird Zurücknahme der Klage, 
Verzicht auf das Klagerecht, Geständniß der Klagethatsachen, Anerkennung der Echt- 
heit von Urkunden, Weigerung des Eides und demzufolge Einräumung der zum 
Eide verstellten Thatsachen als wahr bzw. bei Weigerung des Relaten als nicht 
wahr angenommen, und wo das Gesetz die Folge nicht besonders bestimmt hat, 
Ausschließung der betreffenden Handlung. O. Bülow hat in diesen Annahmen, 
soweit er sie berührt, Fiktionen gefunden, was sie im Gemeinen Recht, wo ihre 
Beseitigung nur durch Restitution möglich ist, dem größten Theile nach freilich sind. 
Nach der CPO. aber sind sie gesetzliche Präsumtionen, Vermuthungen, wie die 
Motive S. 156 u. 169, deren Sprachgebrauch freilich kein konstanter ist, sie richtig 
qualifiziren, weil der Säumige durch Nachholung des Versäumten mittels Einspruches 
bzw. Berufung sie fast alle, und namentlich die von O. Bülow erörterten, als
	        
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