Versäumniß. 1069
nicht zutreffend widerlegen kann. Unter den vermeintlichen Fiktionen sucht O.
Bülow nach verborgenen Wahrheiten: bezüglich der Thatsachen soll es keine
Erklärungspflicht des Beklagten geben, nur ein Recht, sie zu bestreiten und Beweis
zu verlangen, hinsichtlich der Eidesdelation nur ein Recht des Delaten, durch seinen
Eid die Behauptungen des Deferenten zu entkräften u. dgl. m., und so gelangt
O. Bülow dahin, die ganze Lehre vom V. in der CPO. auf ein einziges
Germanisches Abwehr= und Rechtsverwirkungsprinzip (Präklusionsprinzip) zurückzu-
führen. Dagegen sei zunächst bemerkt, daß die Annahme des Geständnisses bei
Nichtbestreitung der Thatsachen nicht Germanischen Ursprungs ist, sondern aus dem
neueren Preußischen und Französischen Rechte stammt, in welchem die Verbindung
der Beweismittelangabe bzw. des Urkundenbeweises mit den Thatsachen für die An-
nahme des Geständnisses immerhin doch eine gewisse, auch im § 504 der CPO.
hervortretenden Grundlage gewährt, welche das Germanische Recht nicht erforderte,
und in welchem wiederum in der Nachholung des Versäumten mittels Einspruches
bzw. Berufung Heilmittel gegeben sind, welche das Germanische Recht ebenfalls
nicht gekannt hat. Sodann aber ist gegen diese Auffassung vor Allem darauf hin-
zuweisen, daß Eide schwören zu müssen, die man nicht zurückschieben kann oder will,
eine Belastung des Gewissens sein kann, zu deren Abwendung auch die Deutsche
CP O. noch die Gewissensvertretung gestattet, und daß die Forderung, bei Ver-
meidung des Geständnisses sich über die vom Gegner behaupteten Thatsachen zu
erklären, darum eine Verpflichtung in sich schließt, weil der Staat, der nur bestehende
Rechte zu verwirklichen hat, eben deshalb den Nachweis derselben vom Kläger ohne
Zuthun des Beklagten erfordern müßte, während er vom letzteren Bestreitung bei
Vermeidung der Annahme des Geständnisses fordert und, wenn die Bestreitung nicht
erfolgt, durch Verwirklichung des Präjudizes dem Kläger seine Last ganz oder theil-
weise abnimmt. Nebenher ist es auch unmöglich, daß der Beklagte durch Schweigen
sein Recht, vom Kläger den Beweis der Klagthatsachen zu fordern, verwirken könnte,
da ein solches Recht nicht dem Beklagten, sondern dem Staat und dem Richter
zusteht und auch die CPO. an dem Grundsatz: ludici fit probatio festhält. Wissen-
schaftlich wird man daher mit der CPO. zwischen der Präklusion und den über
diese hinausliegenden V. folgen auch noch ferner scheiden müssen. — Für die Er-
fordernisse der Verhängung der V folgen ist zuvor ein Blick auf die Verhältnisse
der Kontumaz im Römischen und Gemeinen Recht zu werfen. Die contumacia
des Römischen Rechts war Ungehorsam gegen einen magistratischen Befehl (auctori-
tatem seu edictum Praetoris contemnere), ihr hauptsächlichster Fall die contumacia
absentiae, wenn der Beklagte und seit Justinian auch der Kläger auf die für die
denuntiatio ex auctoritate vom Magistrat abgegebenen dilatorischen und peremto-
rischen Edikte nicht erschien. Der Italienische Prozeß des Mittelalters adoptirte die
contumacia des Römischen Rechts theils bezüglich der Positionen, auf deren Nicht-
beantwortung er die Nachtheile der unterlassenen Beantwortung der Römischen
interrogationes in jure anwandte, theils bezüglich der Termine, zu welchen durch
die dilatorischen und peremtorischen Edikte der denuntiatio ex auctoritate geladen
oder welche mit dilatorischer oder peremtorischer Wirkung den anwesenden Parteien
vorgeschrieben wurden. Nach Beseitigung der Positionen durch den Jüngsten Reichs-
abschied war es allein die Unterlassung einer der Partei durch dilatorische oder
peremtorische Auflage des Richters vorgeschriebenen, von ihr zu bestimmtem Termine,
oder, als schriftliches Verfahren eintrat, binnen bestimmter Frist vorzunehmenden
Handlung, welche den Begriff der Kontumaz ausmachte, von welcher daher Un-
gehorsam anderer Personen, als der Parteien, z. B. der Zeugen oder des Unter-
richters, oder der Unterlassung von Handlungen, welche nicht durch dilatorische oder
peremtorische richterliche Dekrete vorgeschrieben waren, z. B. Nichterfüllung kondem-
natorischer Urtheile oder Nichteinwendung von Rechtsmitteln ausgeschlossen waren,
und welche sich auch als reim formaler Begriff gegen die von Manchen versuchte