Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1108 Verwaltungserekution. 
wurde. Seit dieser Zeit beginnt eine prinzipielle Anfechtung der V. de lege lata 
wie de lege ferenda, die zu einer fortgesetzten Reihe von Anträgen und Ver- 
handlungen in den Preußischen Kammern geführt hat, welche schließlich wesentlich 
resultatlos verlaufen sind. Die wichtigsten Streitpunkte sind folgende: 
1) Die Verfassungsbestimmung (Preuß. Verf. Urk. Art. 8): „Strafen können 
nur in Gemäßheit des Gesetzes angedroht oder verhängt werden“, welche in 
Deutschen wie außerdeutschen Verfassungen den Fundamentalsatz ausspricht, daß die 
Strafjustiz wie die Eiviljustiz nur nach Gesetzesnormen, nicht nach Verordnungen 
gehandhabt werden darf, schien auch die V. auszuschließen. — Die Maßregeln zur 
Erzwingung obrigkeitlicher Befehle sind aber nicht schlechthin „Strafen“ im Sinne der 
Strafgerichtsbarkeit. Man spricht zwar beiläufig auch von Exekutivstrafen, wie 
von Ungehorsamsstrafen im Civ. Prz. Allein das begangene Unrecht besteht hier 
nur in Unterlassungen, und der bestimmt hervortretende Zweck (mulcta ut facias) 
scheidet die Zwangsmaßregel auch in der rechtlichen Behandlung von der poena 
auia fecisti. Sie sind als Zwangsmittel von den poenae in der Gesetzgebung 
wie in der Gerichtspraxis jederzeit getrennt worden, und jetzt auch in der Deutschen. 
Reichsgesetzgebung, beispielsweise in der Strafp O. (§§ 50, 61), ausdrücklich unter- 
schieden. 
2) Die in der Preuß. Verordnung vom 26. Dez. 1808 den Bezirksregierungen 
und in anderen besonderen Gesetzen den Ortspolizeibehörden und anderen Amtsstellen 
beigelegten Erekutionsrechte bis zu einem gewissen Maximum von Geld= und Frei- 
heitsstrafen werden als neue Gesetzesnormen angesehen, durch welche den Be- 
hörden derartige Befugnisse positiv beigelegt seien. Woraus dann a contrario 
zu folgern, daß jede andere Behörde ohne eine spezielle Ermächtigung der Zwangs- 
befugnisse entbehre. — Es würde daraus in der That eine schwierige Lage der 
Deutschen Verwaltung entstehen, da keine Landesgesetzgebung eine irgendwie um- 
sassende Bestimmung der Art für das Behördensystem des Landes enthält, sondern 
nur Einzelbestimmungen und moderamina, und zwar ausnahmslos wol nur für die 
Bezirks= und Unterbehörden. Es würden also nicht blos die erheblichsten Lücken 
in der Ausführung der Verwaltungsnormen entstehen, sondern die Centralbehörden 
und der Landesherr selbst wären eines eigenen imperium entkleidet. — Es handelt 
sich dabei indessen um eine petitio principüs, als ob die vollziehende Gewalt der 
Obrigkeit eine singuläre „Ausnahme“ wäre, als Regel vielmehr dem Landesherrn 
und den Behörden nur die Befugniß zustehe, Gebote zu erlassen, die Befolgung aber 
dem freien Willen der Betheiligten anheimzugeben. 
3) Insbesondere wird die verfassungsmäßig zugesicherte Selbständigkeit der 
Kirchen und ihrer Kirchengewalt geltend gemacht, welche jeden Verwaltungszwang 
ausschließe, der dann nach der Weise dieser Streitführung als Staatsomnipotenz, 
brutale Gewalt, Polizeiwillkür, Bureaukratismus u. s. w. bezeichnet wird. 
Während noch Klüber sich auf eine communis opinio doctorum zur Er- 
ledigung solcher Streitfragen berufen konnte, so wird es bei dem heutigen Stande 
der juristischen Bildung rathsam, auf die Entstehungsgeschichte jenes Zwangsrechts 
zurückzugehen, um die quaestio Domitiana zu beantworten, „wo denn das Recht 
der V. geschrieben stehe?!“ Die in Deutschland übliche V. findet ihre nächste 
Analogie in der bei den Gerichten üblichen executio ad faciendum vel non 
faciendum, für welche in Deutschen Gerichtsurtheilen in der Regel auf ältere 
Prozeßschriftsteller verwiesen wird, die aber selbst für die gerichtliche executio ad 
faciendum keine ausreichend legale Grundlage ergeben. Es entsteht daraus eine Ver- 
muthung, daß in den rezipirten fremden Rechten und in der Lehre der Italienischen 
Juristen die eigentliche Grundlage zu suchen sei. Die ziemlich verbreitete Vorstellung, 
daß diese Art der Exekution im Civilprozeß entstanden und dann (mit Recht oder 
Unrecht) auf die Verwaltungsbehörden übertragen sei, ist jedenfalls für das 
Römische pignus in causa judicati captum unrichtig, welches zuerst für Ver- 
 
	        
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