Verwaltungserekution. 1111
Daher der in diesen Gesetzen regelmäßig vorkommende Ausdruck: „es verbleibt
bei der Befugniß“ und ähnliche Wendungen. Es erklärt sich daraus auch der un-
systematische Charakter solcher Vorschriften, die gelegentlich bei der Neugestaltung der
Kompetenzen der Behörden, oder bei der Einsetzung neuer Amtsstellen, oder zur Ab-
hülfe von Mißständen oder Zweifeln in speziellen Verwaltungszweigen erlassen
werden. Sehr selten (vielleicht sogar ein Unikum) sind allgemein gefaßte Verordnungen,
wie die Oesterreichische Verordn. vom 20. April 1854 § 11:
„Alle Anordnungen, Verfügungen und Erkenntnisse, welche die landes-
fürstlichen, politischen und polizeilichen Behörden unmittelbar oder im Auftrag
der vorgesetzten Behörden erlassen, werden von denselben durch die ihnen gesetzlich
zustehenden Mittel zum Vollzug gebracht“ (mit einem normalen Maximum bis
zu 100 Gulden Buße oder vierzehntägiger Einhaltung a. a. O. § 11).
In der Regel handelt es sich nur um Definition besonderer Amtsfunktionen
wie z. B. in der Oesterreichischen Verordnung vom 20. Mai 1874 § 15:
„Die staatliche Kultusverwaltung hat darüber zu wachen, daß die anerkannten
Religionsgesellschaften, deren Gemeinden und Organe ihren Wirkungskreis nicht
überschreiten 2c. Zu diesem Ende können die Behörden Geldbußen in einer den
Vermögensverhältnissen angemessenen Höhe sowie sonst gesetzlich zulässige Zwangs-
mittel in Anwendung bringen."“
Auch in Preußen sind dergleichen leges mulctatitiae nur für die Bezirksregierungen,
die Ortspolizeibehörden und für einzelne Fragen des modus executionis ergangen,
aus denen jedes argumentum a contrario unzulässig erscheint.
Es ergiebt sich vielmehr aus dem Hergang dieser Rechtsbildung, daß die Voll-
zugsgewalt ein natürliches Attribut der vollziehenden Gewalt bildet, wie das
Recht des Gebrauchs der Sache ein Attribut des Eigenthums ist. Die Nettel-
bladt'sche Schule konnte diesen Satz ohne Bedenken als einen „naturrechtlichen“ hin-
stellen, da er in der That auf einer tausendjährigen Entwickelung des Deutschen
Amtsrechts auf Karolingischer Grundlage, auf der Praxis der Reichsgerichte, der
Landesbehörden und einer communis opinio doctorum beruhte (in Deutschland wie
in England als common lay).
Es folgt daraus, daß jene Definition des Verwaltungszwangs für die Bezirks-
und Ortsbehörden keineswegs die Zwangsgewalt der höchsten Behörden und des
Landesherrn ausschließt oder aufhebt, womit manche Deutsche Monarchen ihrer
Regierungsgewalt nahezu entkleidet sein würden. So wenig die Delegation des
Verordnungsrechts an untere Bezirksstellen das landesherrliche und höhere Ver-
ordnungsrecht aufhebt, so wenig ist in der Delegation an untere Amtsstellen ein
Füi auf das Zwangsvollziehungsrecht des Landesherrn gemeint und staatsrechtlich
zulässig.
Statthaft erscheint auf diesem Gebiet nur eine Analogie ex ratione legis, daß
nämlich Amtsstellen, für die kein Maß der Zwangsgewalt bemessen ist (ohne Er-
mächtigung ihrer Oberen) kein höheres Maß zur Anwendung bringen können, als
das für die gleichstehenden oder höheren Behörden (par majorve potestas) be-
messene. Es gilt auch von dieser Gewalt das moderamen civile: nicht mehr als
zum Zweck der Vollziehung des obrigkeitlichen Akts erforderlich, aber auch nicht
weniger. Es ist daher noch keine Gesetzgebung auf den Gedanken gekommen, das
Verwaltungszwangsrecht des Monarchen an ein gesetzliches Maß zu binden: die
Monarchie würde sich damit selbst aufheben. Die für den Verwaltungszwang noth-
wendige Rechtskontrole ergiebt sich aus der Verwaltungsjurisdiktion ((.
diesen Art.) und ihren Ergänzungen.
Lit.: fehlt. Die obigen Daten namentlich aus der Italienischen Jurisprudenz beruhen
auf handschriftlicher Mittheilung des Herrn Prof. Wilh. Planck. Wie ein Rorrejerar darf
ich folgendes handschriftliche Gutachten des Herrn Prof. Dr. Sohm hinzufügen: „Die voll-
streckende Gewalt ist ursprünglich in der richterlichen Gewalt nicht enthalten. Die Exekution