1122 Verwaltungsjurisdiktion, Verwaltungssuftiz.
zessionen und Konsensen, aller Bestätigungen oder Versagungen im Kommunalrecht,
und noch anderer obrigkeitlichen Gewalten als „Konsequenz der neuen konstitutionellen
Staatsform“ rücksichtslos geltend gemacht.
Aus den praktischen Erfahrungen dieser Zeit ist die neue Preußische Ver-
waltungsreform hervorgegangen, d. h. aus dem Bewußtsein, daß es sich um die Er-
haltung des monarchischen Staats handle gegen den wirklich schon beginnenden
„Parlamentarismus“. Obhne sich durch die Theorien der Zeit irre machen zu lassen,
haben sich die Urheber derselben an den praktischen Zweck gehalten. Gerade ein so
kräftig gestalteter Organismus wie derjenige der Preußischen Staatsverwaltung führte
unter den mannigfaltigen Tagesmeinungen über „V.“ und „Selbstverwaltung“ auf
den entscheidenden Punkt, auf die Verstärkung der schwach gewordenen Rechts-
kontrole (II. 3), aufs die Rückbildung des degenerirten Systems der „Verwaltungs-
beschwerden“ in die bestimmungsmäßige Gestalt einer Nachprüfung eines Ver-
waltungsakts von der Seite seiner Gesetzmäßigkeit. Dafür wurde
nun den Betheiligten ein Rechtsanspruch ex debito justitiae mit allen Garantien
eines gerichtlichen Verfahrens durch eine verstärkte Besetzung der Behörden,
durch die richterliche Unabhängigkeit der Mitglieder, durch öffentliche
mündliche kontradiktorische Verhandlung und zuverlässige Beweisauf-
nahmen gewährt. Diese staatsrechtliche Konstruktion der V. bietet eine
historische Kontinuität mit dem überkommenen Verwaltungssystem dar, wie sie in
den zerfahrenen Vorstellungen der Zeit beispiellos dasteht und schon darin einen
genügenden Beweis ihrer Berechtigung finden kann. Die maßgebenden Punkte sind:
I. Das Gebiet dieser V. beschränkt sich auf diejenigen Verwaltungsakte,
welche (in der ständischen, die in der Repräsentativverfassung) erfahrungsmäßig zu
Machtmitteln herrschender Parteien werden und welche deshalb einem Mißbrauche
in dem Maße ausgesetzt sind, daß die administrativen Kontrolen dafür nicht
ausreichen, — also die oben bezeichneten sechs Gebiete, die ebenso in dem alten
Reichsrecht wie in dem Englischen Verwaltungsrecht als Gebiet jener jurisdictio
extraordinaria hervortreten. Obenan also das große Gebiet der Polizeiver-
fügungen mit einer generell gestalteten „Verwaltungsklage“, elektiv mit der Be-
schwerde bei der Aufsichtsinstanz. Sodann die Gebiete der angewandten Polizei
(Gewerbe-, Bau-, Wegepolizei rc.) mit ihren zahlreichen Konzessionen, Konsensen 2c.,
welche jederzeit das am meisten gemißbrauchte Gebiet der Parteiverwaltungen bilden.
Weiter das Gebiet der streitigen Schul-, Wege= und sonstigen Gemeindelasten, sowie
der Theilnahme an den Gemeinderechten und kommunalen Wahlen. (Auf dem Ge-
biete der Steuereinschätzungen, der Militäraushebungen u. a. war in Preußen schon
durch ältere Einrichtungen ziemlich hinreichend gesorgt.) Die Rechtsbeschwerde der
Betheiligten ist in diesen Gebieten wiederhergestellt als ein Anspruch ex debito
justitiae und deshalb mit dem nicht unangemessenen Namen „Verwaltungsklage“
bezeichnet. Der Name ändert aber nicht die Natur des Rechtsmittels. Es bleibt,
was es von jeher gewesen: die Nachprüfung eines Verwaltungsakts von Seiten
seiner Gesetzmäßigkeit auf Antrag der Betheiligten, konkurrirend mit den noch
weitergehenden Korrekturrechten der Aufsichtsinstanz. Aus dieser Natur des Rechts-
mittels ergiebt sich unter Anderen die sehr bedingte Rechtskraft der Entscheidungen,
die Weise der Vertretung des öffentlichen Interesses, die Sachlegitimation der Par-
teien und die sonstigen wesentlichen Abweichungen vom Civilprozeß.
II. Die schwierigste Frage der Reform bestand in der Verstärkung der
entscheidenden Behörden zu richterlicher Unabhängigkeit. Die zweiseitige
Natur der Verwaltungsbeschwerde, — ihre praktische Untrennbarkeit von den
weiteren Befugnissen der Aussichtsinstanz, — die Nothwendigkeit einer Einheit
der Exekutive überhaupt — macht von unten herauf die Trennung der exekutiven
und richterlichen Organe sachwidrig und unausführbar. Auch das Englische Ver-
waltungsrecht hat von unten auf die Verbindung von Verwaltung und Verwal-