Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1122 Verwaltungsjurisdiktion, Verwaltungssuftiz. 
zessionen und Konsensen, aller Bestätigungen oder Versagungen im Kommunalrecht, 
und noch anderer obrigkeitlichen Gewalten als „Konsequenz der neuen konstitutionellen 
Staatsform“ rücksichtslos geltend gemacht. 
Aus den praktischen Erfahrungen dieser Zeit ist die neue Preußische Ver- 
waltungsreform hervorgegangen, d. h. aus dem Bewußtsein, daß es sich um die Er- 
haltung des monarchischen Staats handle gegen den wirklich schon beginnenden 
„Parlamentarismus“. Obhne sich durch die Theorien der Zeit irre machen zu lassen, 
haben sich die Urheber derselben an den praktischen Zweck gehalten. Gerade ein so 
kräftig gestalteter Organismus wie derjenige der Preußischen Staatsverwaltung führte 
unter den mannigfaltigen Tagesmeinungen über „V.“ und „Selbstverwaltung“ auf 
den entscheidenden Punkt, auf die Verstärkung der schwach gewordenen Rechts- 
kontrole (II. 3), aufs die Rückbildung des degenerirten Systems der „Verwaltungs- 
beschwerden“ in die bestimmungsmäßige Gestalt einer Nachprüfung eines Ver- 
waltungsakts von der Seite seiner Gesetzmäßigkeit. Dafür wurde 
nun den Betheiligten ein Rechtsanspruch ex debito justitiae mit allen Garantien 
eines gerichtlichen Verfahrens durch eine verstärkte Besetzung der Behörden, 
durch die richterliche Unabhängigkeit der Mitglieder, durch öffentliche 
mündliche kontradiktorische Verhandlung und zuverlässige Beweisauf- 
nahmen gewährt. Diese staatsrechtliche Konstruktion der V. bietet eine 
historische Kontinuität mit dem überkommenen Verwaltungssystem dar, wie sie in 
den zerfahrenen Vorstellungen der Zeit beispiellos dasteht und schon darin einen 
genügenden Beweis ihrer Berechtigung finden kann. Die maßgebenden Punkte sind: 
I. Das Gebiet dieser V. beschränkt sich auf diejenigen Verwaltungsakte, 
welche (in der ständischen, die in der Repräsentativverfassung) erfahrungsmäßig zu 
Machtmitteln herrschender Parteien werden und welche deshalb einem Mißbrauche 
in dem Maße ausgesetzt sind, daß die administrativen Kontrolen dafür nicht 
ausreichen, — also die oben bezeichneten sechs Gebiete, die ebenso in dem alten 
Reichsrecht wie in dem Englischen Verwaltungsrecht als Gebiet jener jurisdictio 
extraordinaria hervortreten. Obenan also das große Gebiet der Polizeiver- 
fügungen mit einer generell gestalteten „Verwaltungsklage“, elektiv mit der Be- 
schwerde bei der Aufsichtsinstanz. Sodann die Gebiete der angewandten Polizei 
(Gewerbe-, Bau-, Wegepolizei rc.) mit ihren zahlreichen Konzessionen, Konsensen 2c., 
welche jederzeit das am meisten gemißbrauchte Gebiet der Parteiverwaltungen bilden. 
Weiter das Gebiet der streitigen Schul-, Wege= und sonstigen Gemeindelasten, sowie 
der Theilnahme an den Gemeinderechten und kommunalen Wahlen. (Auf dem Ge- 
biete der Steuereinschätzungen, der Militäraushebungen u. a. war in Preußen schon 
durch ältere Einrichtungen ziemlich hinreichend gesorgt.) Die Rechtsbeschwerde der 
Betheiligten ist in diesen Gebieten wiederhergestellt als ein Anspruch ex debito 
justitiae und deshalb mit dem nicht unangemessenen Namen „Verwaltungsklage“ 
bezeichnet. Der Name ändert aber nicht die Natur des Rechtsmittels. Es bleibt, 
was es von jeher gewesen: die Nachprüfung eines Verwaltungsakts von Seiten 
seiner Gesetzmäßigkeit auf Antrag der Betheiligten, konkurrirend mit den noch 
weitergehenden Korrekturrechten der Aufsichtsinstanz. Aus dieser Natur des Rechts- 
mittels ergiebt sich unter Anderen die sehr bedingte Rechtskraft der Entscheidungen, 
die Weise der Vertretung des öffentlichen Interesses, die Sachlegitimation der Par- 
teien und die sonstigen wesentlichen Abweichungen vom Civilprozeß. 
II. Die schwierigste Frage der Reform bestand in der Verstärkung der 
entscheidenden Behörden zu richterlicher Unabhängigkeit. Die zweiseitige 
Natur der Verwaltungsbeschwerde, — ihre praktische Untrennbarkeit von den 
weiteren Befugnissen der Aussichtsinstanz, — die Nothwendigkeit einer Einheit 
der Exekutive überhaupt — macht von unten herauf die Trennung der exekutiven 
und richterlichen Organe sachwidrig und unausführbar. Auch das Englische Ver- 
waltungsrecht hat von unten auf die Verbindung von Verwaltung und Verwal- 
 
	        
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