Veterinärwesen. 1137
Nachdem sich herausgestellt hatte, daß die bis dahin üblich gewesene Prüfung
der Kandidaten für die Kreisthierarztstellen keinen genügenden Anhalt zur Be-
urtheilung der Kenntnisse derfelben gewähren konnte, wurde durch Cirkularverfügung
vom 6. September 1853 ein neues Prüfungereglement vorgeschrieben.
Als technischer Rathgeber der Regierungen in Beterinärangelegenheiten wurde
ebenfalls durch die Kab. Ordre vom 13. Juni 1817 in jedem Regierungsbezirke ein
Departementsthierarzt angestellt und demselben gleichzeitig die Funktionen des Kreis-
thierarztes für einen oder zwei Kreise übertragen. Durch die Kab. Ordre vom
16. Juni 1831 wurde der etatsmäßige Gehalt der Departementsthierärzte auf 900
Mark jährlich festgestellt und durch Reskript vom 24. Dezember desselben Jahres
wurde auch ausgesprochen, daß die Departementsthierärzte mit den Kreisphysikern in
gleichem Rang= und Dienstverhältniß stehen. Die Oualifikation zur Anstellung als
Departementsthierarzt wurde bis zum Jahre 1855 durch einjährige Dienstleistung
als Repetitor an der Königlichen Thierarzneischule zu Berlin erworben. Die (ir-
kularverfügung vom 7. Februar 1855 enthält ein neues Prüfungsreglement für
Departementsthierärzte. Nach dem Regulativ vom 19. Juni 1876 für die Prüfung
der Thierärzte, welche das Fähigkeitszeugniß für die Anstellung als beamteter Thier-
arzt in Preußen zu erwerben beabsichtigen, findet jetzt nur eine Prüfung für Kreis-
und Departementsthierärzte statt. Zu dieser Prüfung werden nur solche Thierärzte
zugelassen, welchen auf Grund des § 29 der RGew.O. vom 21. Juni 1869 die Ap-
probation ertheilt worden ist, oder welche vor dem Erlaß des Prüfungsregulativs
vom 25. September 1869 als Thierärzte erster Klasse approbirt worden sind. Die
Veterinär-Assessorenstelle wird in der Regel durch einen Departementsthierarzt versehen.
Der Veterinär-Assessor fungirt als Mitglied der Medizinalkollegien, doch steht demselben nur
bei den von ihm speziell bearbeiteten Sachen ein volles Stimmrecht zu (cf. § 3 der
Dienstanweisung vom 23. Oktober 1877).
Die Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 27. März 1878 enthält die
näheren Bestimmungen über die Prüfung der Thierärzte und bezeichnet die Central-
behörden derjenigen Bundesstaaten, welche zur Ertheilung der Approbation als
Thierarzt für das Gebiet des Deutschen Reiches befugt sind. Nach der Gew.O. für
das Deutsche Reich darf sich Niemand den Titel Thierarzt zulegen, wer hierzu nicht
approbirt ist, doch wird die Befugniß zum gewerbsweisen Betrieb der thierärztlichen
Praxis nicht abhängig gemacht von der Approbation. Zur Gewerbesteuer können
Thierärzte, auch wenn sie die in ihrer Praxis verordneten Arzneimittel selbst dis-
pensiren, nicht herangezogen werden, so lange sie sich darauf beschränken, nur die-
jenigen Mittel zu verabfolgen, welche zur Kur der in ihrer Behandlung befindlichen
* erforderlich sind (cf. Reskript des Preußischen Finanzministeriums vom 17. Juli
1877)0.
Die Thierärzte sind berechtigt ohne vorgängige besondere Prüfung als Fleisch-
brhuer zu fungiren (ef. Reskript des Ministeriums des Innern vom 21. Januar
1877).
Die Thierärzte, welche die Praxis ausüben wollen, sind verpflichtet dem zu-
ständigen Kreisthierarzte hiervon unter Vorlegung der Approbation und Angabe
ihrer Wohnung Anzeige zu machen. Etwaigen Wechsel der Wohnung oder Aufgabe
der Praxis haben dieselben ebenfalls anzuzeigen (Cirkularerlaß der Ministerien für
die landwirthschaftlichen Angelegenheiten und der Geistlichen, Unterrichts= und Medi-
zinalangelegenheiten vom 11. Dezember 1875).
Die früher üblich gewesene Verschmelzung des V. mit dem übrigen Medizinal-
wesen, sowie die Unterordnung der Organe des ersteren unter die des letzteren ist
in der Hauptsache in fast allen Deutschen Bundesstaaten aufgegeben. Fast überall.
bildet das V. bereits einen selbständigen Verwaltungszweig mit eigenen technisch
vorgebildeten Organen auch in den unteren Instanzen. Im Deutschen Reiche be-
finden sich (nach der Zählung vom 1. Oktober 1880) 3190 Thierarzte und zwar
v. Holtzendorff, Ene. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl.