1144 Viehverstellung — Vigelius.
Viehverstellung (bail à cheptel) ist der Vertrag über Einstellung von Haus-
thieren bei einem anderen (dem Einsteller) zur Wartung und Pflege (zuweilen auch
zur Begattung des eingestellten Mutterviehes durch das Faselvieh des Einstellers)
gegen Einräumung bestimmter Vortheile. Der einfachste Fall ist der, wenn das
Eigenthum nebst der Gefahr und dem natürlichen Zuwachs (dem Jungvieh) dem
Versteller verbleibt, der Einsteller dagegen neben dem Düngernutzen einen besonderen
Lohn für seine Mühewaltung erhält, — reine Dienstmiethe, unter Umständen in
Verbindung mit Sachenmiethe (Stallmiethe). Der Charakter des Vertrags wird
dadurch nicht geändert, daß dem Einsteller statt des Geldlohnes oder neben demselben
gewisse Viehnutzungen, insbesondere die Milchnutzung, auch wol ein Anrecht auf
einzelnes Jungvieh, gewährt werden. Sind diese dem Einsteller überlassenen
Nutzungen die Hauptsache, so nimmt der Vertrag den Charakter eines Pachtvertrags
an, gleichgültig ob Einsteller den Pachtzins in Gelde oder in einem Theil der Vieh-
nutzungen entrichtet. — Diesen verschieden abgestuften Formen der uneigentlichen V.
steht die eigentliche V., bei welcher der gesammte VBiehnutzen nach Maßgabe der
Vereinbarung getheilt wird, der Einsteller aber auch einen entsprechenden Antheil am
Verlust zu übernehmen hat, gegenüber. Dieser „Theilviehvertrag“ war schon den Römern
und den alten Langobarden bekannt, jene sprechen von pecora partiaria (I. 9 C. de
pactis 2, 3), diese von Bieh in socio dare und in socio recipere (Edikt des
Rothari c. 234). Der Vertrag ist das ganze Mittelalter hindurch in Deutsch-
land und ganz besonders in Frankreich in Uebung gewesen. Seine wissenschaftliche
und gesetzgeberische Ausbildung hat er, wie die V. überhaupt, in Frankreich erhalten.
Die in dem Theilviehvertrage enthaltene societas quaestus, bei welcher der eine
Theil das Vieh, der andere Pflege und Unterhalt desselben gewährt, der Gewinn
aber theils dem Einsteller verbleibt (außer dem Düngernutzen gewöhnlich auch der
Milchnutzen), theils beiden Kontrahenten gleichmäßig zugute kommt (insbefondere
das Jungvieh und die Wolle), kann zu einer vollständigen communio erweitert
werden, indem beiden Theilen die Stellung von Vieh auferlegt wird. Hierher ge-
hört insbesondere die halbtheilige V. (cheptel à moitié), bei welcher Jeder die
Hälfte des Viehes auf halben Gewinn und Verlust hergiebt („das Vieh um die
Hälfte zusammensetzen“), der Einsteller aber Dünger= und Milchnutzung vorweg-
nimmt. Endlich kann die V. in der Weise begründet werden, daß der Versteller
dem Einsteller gegen einen Pachtzins und gegen Uebernahme der ganzen Gefahr die
ganze Viehnutzung überläßt, sodaß die eingestellte Herde den Charakter eines wandel-
baren Vermögensinbegriffes erhält. Auch dieser Vertrag war bereits dem Mittelalter
bekannt (Immerkuh, Immerrind, Cheptel de fer), bei ihm ist die ursprünglich für
die V. überhaupt gebräuchliche Bezeichnung als societas technisch geworden (con-
tractus socidae). Das Französische Recht kennt den Eisern-Viehvertrag nur im An-
schluse an die Gut-pacht.
gb. u. Huck, Die Piebberstellung, in der Feitschrift für für „Deutsches Recht, V.
226.G — Sners **7“ III. 149 ff. — Code civil art. — Bad. Landr.
1800 1831 d. — Zürich. P. riv. GB. §§ 1547—59. — Sächs. 5q 10 ff. — Stobbe,
Handb. d. Deutschen Privatrechts, III. 266 ff. — Die Lehrbücher des v
öder
Vigelius, Nicolaus, 5 1529 zu Treysa, war Professor zu Marburg 1560
bis 1594, wurde wegen seines Angriffes auf den Hof, die Geistlichkeit und Vultejus
(in seinem Examen Ictorum 1593) entlassen, F 10. V. 1600.
Schriften: Exceptionum forensium 1. III, Basil. 1555, 1557. — Practica forensis,
Basil. 1558, 1570. — De litis contestatione, Basil. 0573—1620 4 mal erschienen). —
Progymnasmata fori, Basil. 1573 (). — Methodus univ. jur. civ. absolurissimus, zuletzt
1625. — Digest. jur. civ. 1. 50 in 7 partes distincti 1568, Basil. 1584. — Gerichtsbüchlein
(unter dem Titel: Bauer, Praktika 1563 erschienen, Richterbüchlein Basil. 1579, herausgeg.
von B. Melchior Husanus 1635, von Homberg, von Struve 1686, von Eckarth
13 1603 on dem juristischen Glauben. — Const. Carolinae publ. judiciorum, 3. edit.
asi