1148 Vindikation.
2) Da Rechte an fremder Sache das Eigenthum beschränken, so unterliegt der
Kläger, wenn der Beklagte sich als Subjekt eines ihn zur Innehabung befugenden
Rechtes an der Sache erweist. Dagegen galt nach Römischem Rechte keineswegs
dasselbe von einer obligatorischen Verbindlichkeit des Klägers, dem Beklagten die
Innehabung zu belassen (arg. J. 12, 18 D. de vi 43, 16). Hatte jedoch der
Kläger oder sein Rechtsvorgänger dem Beklagten oder einem Rechtsvorgänger desselben
den juristischen Besitz der Sache, kraft eines die Absicht der Eigenthumsübertragung
in sich enthaltenden Rechtsgeschäftes, überlassen, unter Umständen, welche zwar die
Realisirung dieser Absicht, aber nicht die obligatorische Geltung des Geschäftes aus-
schlossen, so stand dem Kläger im Falle des Kaufes die exceptio rei venditae et
traditae entgegen, welche analoge Anwendung auf andere Erwerbsgründe fand
(D. 21, 3). Die gemeinrechtliche Praxis statuirt dagegen Abweisung des Klägers
wegen jeder gegen den Beklagten ihm obliegenden obligatorischen Verbindlichkeit zur
Belassung der Innehabung, und zwar mit vollem Rechte. Da nämlich nach heutigem
Rechte die vom Besitzer geschuldete Ueberlassung der Innehabung unmittelbar er-
zwungen werden kann, so muß auch die Forderung ihrer Belassung die Abweisung des
zu ihr verpflichteten, die Herausgabe der Sache verlangenden Klägers begründen.
IV. Daß Gegenstand der V. eine bestimmte, im Eigenthume des Klägers be-
findliche Sache ist, hat folgende Ausnahmen.
1) Sind mehrere Sachen verschiedener Eigenthümer in einer solchen Weise ver-
mengt, daß ihre Sonderung sich nicht mehr durchführen läßt, so ist Gegenstand der
V. anstatt der Restitution der bestimmten, dem Kläger gehörenden Stücke die Tra-
dition einer nach Verhältniß des Werthes jener und der mit ihnen vermengten Stücke
sich bestimmenden OQuote des durch die Vermengung gebildeten Haufens (§ 2 I. de
rer. div. 2, 1). Dagegen ist nichts anderes als eine V. bestimmter einzelner Sachen
die gregis vindicatio, welche auf alle Stücke des grex mit der Wirkung sich er-
streckt, daß dem Kläger nur die erweislich ihm gehörigen zugesprochen werden, daß
er aber ganz durchfällt, wenn er sich nicht wenigstens als Eigenthümer der Majorität
ausweist (I. 1 § 3; 1. 2 D. h.t.).
2) In gewissen Fällen ist die V. als utilis rei vindicatio trotz mangelnden
Eigenthums des Klägers begründet. Sie steht hier demjenigen zu, um dessen Geld
eine Sache erworben ist, so daß er die Wahl hat, ob er den Ersatz seines Geldes
fordern oder die darum angeschaffte Sache als die seinige behandeln will, so
a) der Mündel bezüglich der um sein Geld vom Vormunde für sich selbst ge-
Fkuften Sache (1. 2 D. quando ex facto 26, 9)
b) der Soldat bezüglich der um sein Geld von seinem Mandatar oder nego-
tiorum gestor gekauften Sache (1I. 8 C. h.t. 3, 32);
c) der Ehegatte bezüglich derjenigen Sache, welche sein Gatte um das von
ihm geschenkte Geld gekauft oder durch Verarbeitung der von ihm geschenkten Sache
verfertigt hat. Doch ist die V. bedingt durch die Bereitschaft zum Ersatze desjenigen
Betrages, um welchen der Werth der vindizirten Sache den vem Vindikanten ge-
schenkten Betrag übersteigt (I1. 29 §§ 1, 30, 55 D. de don. int. vir. et ux. 29, 1).
Auch geht diese utilis vindicatio nur gegen den beschenkten Ehegatten, während
bezüglich der Fälle unter 1 und 2 diese Beschränkung nicht erwiesen ist.
Die Römischen Grundsätze über V. sind Gemeines Recht. Dagegen ist nach
Partikularrechten, wie besonders nach Preuß. LR., der redliche Erwerber zur Resti-
tution nur gegen Ersatz der Anschaffungskosten verbunden; die weitergehende, im H.R.
zum Gemeinen Recht gewordene Tendenz des Deutschen Rechts, die V. gegen den
redlichen Erwerber auszuschließen, berührt nicht sowol die Lehre von der V.
als die vom Eigenthumserwerbe.
Quellen: Tit. de rei vindicatione Dig. 6, 1; Cod. 3, 32. — Preuß. A. LR. I. 15.
Lit.: Wetzell, Der Römische Bindikationsprozeß, 1845. — Dagenstecher, Die
Römische Lehre v. Eigenthum, III. (1859) S. 5 ff. — Sintenis, Civilrecht, 1 7 f. —