Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1148 Vindikation. 
2) Da Rechte an fremder Sache das Eigenthum beschränken, so unterliegt der 
Kläger, wenn der Beklagte sich als Subjekt eines ihn zur Innehabung befugenden 
Rechtes an der Sache erweist. Dagegen galt nach Römischem Rechte keineswegs 
dasselbe von einer obligatorischen Verbindlichkeit des Klägers, dem Beklagten die 
Innehabung zu belassen (arg. J. 12, 18 D. de vi 43, 16). Hatte jedoch der 
Kläger oder sein Rechtsvorgänger dem Beklagten oder einem Rechtsvorgänger desselben 
den juristischen Besitz der Sache, kraft eines die Absicht der Eigenthumsübertragung 
in sich enthaltenden Rechtsgeschäftes, überlassen, unter Umständen, welche zwar die 
Realisirung dieser Absicht, aber nicht die obligatorische Geltung des Geschäftes aus- 
schlossen, so stand dem Kläger im Falle des Kaufes die exceptio rei venditae et 
traditae entgegen, welche analoge Anwendung auf andere Erwerbsgründe fand 
(D. 21, 3). Die gemeinrechtliche Praxis statuirt dagegen Abweisung des Klägers 
wegen jeder gegen den Beklagten ihm obliegenden obligatorischen Verbindlichkeit zur 
Belassung der Innehabung, und zwar mit vollem Rechte. Da nämlich nach heutigem 
Rechte die vom Besitzer geschuldete Ueberlassung der Innehabung unmittelbar er- 
zwungen werden kann, so muß auch die Forderung ihrer Belassung die Abweisung des 
zu ihr verpflichteten, die Herausgabe der Sache verlangenden Klägers begründen. 
IV. Daß Gegenstand der V. eine bestimmte, im Eigenthume des Klägers be- 
findliche Sache ist, hat folgende Ausnahmen. 
1) Sind mehrere Sachen verschiedener Eigenthümer in einer solchen Weise ver- 
mengt, daß ihre Sonderung sich nicht mehr durchführen läßt, so ist Gegenstand der 
V. anstatt der Restitution der bestimmten, dem Kläger gehörenden Stücke die Tra- 
dition einer nach Verhältniß des Werthes jener und der mit ihnen vermengten Stücke 
sich bestimmenden OQuote des durch die Vermengung gebildeten Haufens (§ 2 I. de 
rer. div. 2, 1). Dagegen ist nichts anderes als eine V. bestimmter einzelner Sachen 
die gregis vindicatio, welche auf alle Stücke des grex mit der Wirkung sich er- 
streckt, daß dem Kläger nur die erweislich ihm gehörigen zugesprochen werden, daß 
er aber ganz durchfällt, wenn er sich nicht wenigstens als Eigenthümer der Majorität 
ausweist (I. 1 § 3; 1. 2 D. h.t.). 
2) In gewissen Fällen ist die V. als utilis rei vindicatio trotz mangelnden 
Eigenthums des Klägers begründet. Sie steht hier demjenigen zu, um dessen Geld 
eine Sache erworben ist, so daß er die Wahl hat, ob er den Ersatz seines Geldes 
fordern oder die darum angeschaffte Sache als die seinige behandeln will, so 
a) der Mündel bezüglich der um sein Geld vom Vormunde für sich selbst ge- 
Fkuften Sache (1. 2 D. quando ex facto 26, 9) 
b) der Soldat bezüglich der um sein Geld von seinem Mandatar oder nego- 
tiorum gestor gekauften Sache (1I. 8 C. h.t. 3, 32); 
c) der Ehegatte bezüglich derjenigen Sache, welche sein Gatte um das von 
ihm geschenkte Geld gekauft oder durch Verarbeitung der von ihm geschenkten Sache 
verfertigt hat. Doch ist die V. bedingt durch die Bereitschaft zum Ersatze desjenigen 
Betrages, um welchen der Werth der vindizirten Sache den vem Vindikanten ge- 
schenkten Betrag übersteigt (I1. 29 §§ 1, 30, 55 D. de don. int. vir. et ux. 29, 1). 
Auch geht diese utilis vindicatio nur gegen den beschenkten Ehegatten, während 
bezüglich der Fälle unter 1 und 2 diese Beschränkung nicht erwiesen ist. 
Die Römischen Grundsätze über V. sind Gemeines Recht. Dagegen ist nach 
Partikularrechten, wie besonders nach Preuß. LR., der redliche Erwerber zur Resti- 
tution nur gegen Ersatz der Anschaffungskosten verbunden; die weitergehende, im H.R. 
zum Gemeinen Recht gewordene Tendenz des Deutschen Rechts, die V. gegen den 
redlichen Erwerber auszuschließen, berührt nicht sowol die Lehre von der V. 
als die vom Eigenthumserwerbe. 
Quellen: Tit. de rei vindicatione Dig. 6, 1; Cod. 3, 32. — Preuß. A. LR. I. 15. 
Lit.: Wetzell, Der Römische Bindikationsprozeß, 1845. — Dagenstecher, Die 
Römische Lehre v. Eigenthum, III. (1859) S. 5 ff. — Sintenis, Civilrecht, 1 7 f. —
	        
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