Vollstreckung der Strafurtheile. 1167
S. 197) sagt, die instinktive Abneigung gegen die Entwickelung eines machtvollen
Richterthums im modernen Prozesse bei der Entscheidung der Frage, ob die Staats-
anwaltschaft oder das Gericht das geeignetere Organ für die Vollstreckung der Ur-
theile sei, mitgewirkt hat. Allein es läßt sich nicht leugnen, daß, wenn die
erforderlichen Garantien gegeben werden, die Staatsanwaltschaft selbst dem Einzel-
richter vorzuziehen ist. Vgl. hierüber die Verhandlungen in der Reichs-Justiz-
Kommission bei Hahn, Materialien, bes. Bd. III. Abth. 1 S. 1130—1135.
Die Deutsche Strafst O. § 483 Abs. 1 hat die Französische Anschauung adoptirt.
Da sie die Amtsanwaltschaft, weil das Personal derselben „vielleicht nicht überall die
ausreichende Gewähr für eine angemessene Strafvollstreckung geben wird“, ausdrücklich
ausgeschlossen hat (StrafP# O. § 483 Abf. 2), so fungirt als Organ der V. die
Staatsanwaltschaft bei den Landgerichten. Kompetent ist die Staatsanwaltschaft
des landgerichtlichen Sprengels, in welchem das Urtheil gefällt ist. In dem
Deutschen GV. §§ 163 und 164 ist jedoch bestimmt, daß die Pflicht zur Rechts-
hülfe sich nicht nur auf die Ablieferung der betreffenden Person erstreckt, welche eine
Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, sondern unter Umständen auch auf die V. der
Freiheitsstrafe. Es gilt dies aber nur bei einer Freiheitsstrafe, welche die Dauer
von sechs Wochen nicht übersteigt. Eine solche kann in demjenigen Bundesstaate
vollstreckt werden, in welchem der Verurtheilte sich befindet.
In Schöffengerichtssachen, d. h. nicht blos in den Strafsachen, welche
an sich zur Zuständigkeit der Schöffengerichte gehören, sondern auch in denen, welche
den Schöffengerichten überwiesen sind, kann durch Anordnung der Landesjustizver-
waltung die Straf-V. den Amtsrichtern übertragen werden (Stras O. § 483
Abs. 3). Von dieser den Landesjustizverwaltungen eingeräumten Befugniß haben
fast alle Gebrauch gemacht. — Abgesehen hiervon können der Untersuchungsrichter
und der Amtsrichter die V. von Beschlüssen und Verfügungen unmittelbar, d. h.
ohne Vermittelung der Staatsanwaltschaft, veranlassen (StrafPm O. § 36 Abf. 2).
Ein Einfluß des Gerichts auf die Straf-V. zeigt sich in verschiedenen Fällen,
sei es weil das zu vollstreckende Urtheil unvollständig ist (Festsetzung der an Stelle
der Geldstrafe tretenden Freiheitsstrafe, Zuerkennung einer Gesammtstrafe), sei es
weil sich zwischen dem Organ der V. und den bei letzterer betheiligten Personen
(Angeklagter bzw. Angehörige) Streitigkeiten über die Zulässigkeit der Straf-V., die
Berechnung der Strafe, die Anrechnung der in einer Krankenanstalt verbrachten
Zeit, einen Aufschub der Straf-V. ergeben. Vgl. hierüber Dochow, S. 331 ff.;
Binding, S. 200; Meves, S. 491 ff. Die Entscheidungen in diesen Fällen
werden von dem Gerichte erster Instanz ohne mündliche Verhandlung erlassen, doch
muß der Staatsanwaltschaft und dem Verurtheilten vor der Entscheidung Gelegen-
heit zur Stellung und Begründung von Anträgen gegeben werden. Sie sind, inso-
fern sie nicht von dem Reichsgericht erlassen sind, durch sofortige Beschwerde anfechtbar
(StrafP O. § 494 Abf. 4).
III. Voraussetzungen der Vollstreckung. 1. Ein Urtheil, in
welchem auf Strafe bzw. neben der Strafe auch noch auf Buße erkannt ist.
Dem Urtheil gleich geachtet wird der amtsrichterliche Strafbefehl, gegen welchen
nicht rechtzeitig Einspruch erhoben worden ist (StrafPß O. § 450). Freisprechende
Urtheile bedürfen keiner besonderen Vollstreckung. Die Aufhebung der Haft, die
Herausgabe der in Beschlag genommenen Gegenstände u. s. w. sind Folgen des frei-
sprechenden Urtheils und können nicht als eine V. desselben angesehen werden.
2. Rechtskraft des Urtheils (vgl. diesen Art. Bd. III. S. 284 ff.).
Ein Urtheil ist nach der Deutschen StrasP O. rechtskräftig, wenn es durch Berufung
oder Revision nicht mehr angefochten werden kann, d. h. wenn die Einlegungsfrist
verstrichen ist, ohne daß ein Rechtsmittel eingelegt oder auf Einlegung eines solchen
verzichtet oder das eingelegte zurückgenommen oder der Instanzenzug erschöpft ist.
Die Zustellung des Urtheils hat keinen Einfluß auf die Rechtskraft. Die Deutsche