Vorstand. 1183
Bestellung jedes V.mitglieds für die Aktiengesellschaft in jedem Augenblick wider-
ruflich, so daß eine in dieser Hinsicht abweichende statutarische oder vertragsmäßige
Abmachung nur für die etwaigen Entschädigungsansprüche aus ungerechtfertigtem
Widerruf erheblich ist, niemals aber die Wirksamkeit des Widerrufs hindert (Art.
227 Abs. 2). Statutarisch ist gewöhnlich außer der Generalversammlung auch der
Aufsichtsrath zur Ausübung dieser Widerrufsbefugniß ermächtigt. Mit dem Wider-
ruf muß natürlich die Sorge für gehörigen Ersatz verbunden werden. In der Wi-
derrufsbefugniß ist von selbst zugleich die Befugniß zu bloßer vorläufiger Suspension
des V. enthalten (Erk. des RNOPHHG. vom 4. Juni 1874, Entsch. XIV. Nr. 35, S. 82 ff.).
Die Bestellung von V.mitgliedern und jede Aenderung im Bestande derselben hat
der V. selbst unter Beifügung der gehörigen Legitimation sofort zur Eintragung in
das Handelsregister anzumelden (Art. 228 und 233). — Endlich ist auch die
innere Organisation des V. durchaus dem Statut überlassen. Besteht daher
der V. aus mehreren Personen, so kann er kollektiv oder kollegialisch eingerichtet sein;
er kann sich auch als ein Kollegium mit einheitlicher oder kollegialischer Spitze (Prä-
sidium, Direktion u. s. w.) oder umgekehrt als einheitliche oder kollektive Regie-
rungsbehörde mit kollegialischem Beirath darstellen; er kann selbst in mehrere Kol-
legien (z. B. Direktorium und Verwaltungsrath) oder in Komités gegliedert wer-
den, deren jedes in einer bestimmten Sphäre selbständig als V. fungiren soll (Erk. d.
RO. vom 1. Juni 1875, Entsch. XVIII. Nr. 91, S. 337 ff.). Doch haben alle
derartigen Einrichtungen nach außen hin nur insoweit rechtliche Bedeutung, als sie
mit den zwingenden Gesetzesvorschriften über die Vertretungsfunktion des V. verein-
bar sind (vgl. unten). — Wenn hiernach im Allgemeinen die Art und Weise der
Bildung des V. der autonomischen Satzung anheimgegeben ist, so kann doch immer
als V. im Sinne des Gesetzes nur eine Behörde gelten, welche ihrem ganzen Cha-
rakter nach ein Organ der Aktiengesellschaft selbst und nicht etwa das
Organ einer völlig außerhalb der Gesellschaft stehenden Willensmacht ist. Deshalb
ist z. B. als V. einer Eisenbahngesellschaft, welche ihren ganzen Betrieb dem Staate
abgetreten hat, nicht die staatliche Eisenbahndirektion, sondern vielmehr die zur Ver-
tretung der Gesellschaft gegen jeden Dritten und somit auch gegen den zum Ver-
walter bestellten Staat berufene Gesellschaftsbehörde (Verwaltungsausschuß u. dal.)
anzusehen (vgl. Erk. des * vom 18. März 1874, Entsch. XIII. Nr. 45 und 46;
irrig Löwenfeld, S. 238 ff.). In diesem Sinne hat auch das Reichsgericht den
bekannten jüngsten Beschluß der Generalversammlung der Rumänischen Eisenbahn-
gesellschaft zu Berlin unter Anderem deshalb für unverbindlich erklärt, weil durch
denselben nicht nur die innerhalb der Kompetenz der Generalversammlung belegene
Uebertragung des ganzen Betriebes der Eisenbahn, auf den Rumänischen Staat unter
Verwandlung der Dividenden in feste Bezüge vollzogen, sondern zugleich als angeb-
licher nunmehriger „V.“ der fortbestehenden Gesellschaft eine lediglich vom Rumäni-
schen Ministerium angeordnete und instruirte und gleichwol zur vollen Vertretung
der Aktiengesellschaft legitimirte Kommission eingesetzt worden ist. Denn hierin liege,
da eine solche Kommission kein V. im Sinne des Gesetzes und ein anderer V. nicht
vorhanden sei, eine Selbstverstümmelung der Aktiengesellschaft, wozu der General-
versammlung die Kompetenz fehle (Erk. vom 19. Febr. 1881, Entsch, d. Reichs-
gerichts in Civilf. III. S. 123 ff.).
Hinsichtlich der rechtlichen Stellung des V. ist zwischen dem korpora-
tionsrechtlichen Verhältniß, in welchem derselbe als Organ der Aktiengesellschaft steht,
und dem individualrechtlichen Verhältniß, welches für die V.mitglieder durch die
Uebernahme ihres Amtes begründet wird, scharf zu unterscheiden.
Als Organ der Aktiengesellschaft hat der V. die doppelte Funktion der Ver-
tretung nach außen und der Regierung nach innen. In dieser Beziehung ist im
Gesetz in ähnlicher Weise, wie dies bei anderen handelsrechtlichen Aufträgen zur
Geschäftsführung und namentlich bei der Prokura geschehen ist, die volle Trennung