Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Vorstand. 1191 
Anordnung eines V., dessen Bildung und Zusammensetzung hier völlig oder in der 
Hauptsache durch das öffentliche Recht fixirt und dem autonomischen Belieben ent- 
zogen wird. Auch hier ist der V. nach außen in publizistischer und in privatrechtlicher 
Hinsicht zur Vertretung der Körperschaft berufen, wobei der Umfang seiner Vertretungs- 
befugnisse gesetzlich festgestellt zu sein pfllegt. Nach innen aber fungirt er als leitende 
und ausführende Behörde, deren Handlungen hier zugleich je nach der öffentlich-rechtlichen 
Bedeutung des betreffenden Verbandes mit öffentlicher Autorität ausgerüstet werden. 
Die Rechtsverhältnisse zwischen der Körperschaft und den einzelnen V mitgliedern 
nähern sich hier mehr oder minder den durch die Uebernahme von Staatsämtern be- 
gründeten Rechtsverhältnissen an. Hierher gehören namentlich die Gemeinde-V. 
(vgl. die Art. Gemeindeverfassung und Gemeindebeamte) einschließlich 
der V. der Kommunalverbände höherer Ordnung und der Gemeindeverbände für be- 
sondere Zwecke. Ebenso die Kirchen-V. (vgl. d. Art. Kirchengemeinde). 
Bei anderen, unter öffentlicher Autorität errichteten Genossenschaften sind durch das 
Gesetz nur die Grundzüge der Organisation und rechtlichen Stellung des V. ein für 
alle Mal fixirt, während die nähere Regulirung durch das unter staatlicher Mit- 
wirkung festgestellte Statut erfolgt. So bei den Deichverbänden (pygl. diesen 
Art.) und bei den öffentlichen Wassergenossenschaften, bei welchen letzteren 
das Preußische Gesetz vom 1. April 1879 einen die Genossenschaft in allen ihren 
Angelegenheiten vertretenden V. obligatorisch macht (§ 9) und dessen amtliche Be- 
fugnisse und Pflichten unter Regelung der staatlichen Oberausfsicht festsetzt (88 53—54, 
60, 82, 86, 99), im Uebrigen aber auf das Statut verweist (§ 56). Ebenso bei 
den Knappschaftsvereinen, deren V. in allen Fällen zur Hälfte von den 
Werkbesitzern und zur andern Hälfte von den durch die Arbeiter und Beamten ge- 
wählten Knappschaftsältesten aus ihrer Mitte besetzt werden soll und sowol zur Ver- 
tretung des Vereins, wie zur Leitung und Verwaltung der Vereinsangelegenheiten 
unter oberbergamtlicher Aufsicht berufen ist (vgl. Preußisches Berggesetz vom 24. Juni 
1865 §§ 178—186 nebst §§ 172 und 176). Dagegen enthält z. B. für Wald- 
genossenschaften das Preußische Gesetz vom 6. Juni 1875 nur die Vorschrift, 
daß die Genossenschaft einen V. haben muß, der die Genossenschaft in allen ihren 
Angelegenheiten, auch wo fonst Spezialvollmacht nöthig wäre, in den durch das 
Statut festgesetzten Formen vertritt (§ 26). 
Insoweit die Landesgesetze bestimmte Gattungen von freien Genossenschaften 
anerkannt und geregelt haben, lehnen sie sich in neuerer Zeit mehr oder minder an 
die Sätze des H.R. über den V. der Aktiengesellschaft beziehungsweise der einge- 
tragenen Genossenschaft an. 
Dies gilt z. B. von den Gewerkschaften, bei denen indeß durch das 
Preußische Berggesetz (§§ 117—128) und die verwandten Gesetze gerade hinsichtlich 
des V. einige sehr erhebliche Abweichungen von den Sätzen des H.R. konservirt sind. 
So gilt bei der Gewerkschaft als Regel, daß ein Einzelvorsteher („Repräsentant") 
bestellt wird. Doch kann auch ein aus zwei oder mehreren Personen bestehender 
„Gruben-V.“ eingesetzt werden. Die Bestellung erfolgt durch eine gesetzlich geordnete 
Wahl der Gewerkenversammlung, die Vorsteher brauchen aber keine Gewerken zu 
sein. Als Legitimation dient dem V. eine Ausfertigung des gerichtlich oder notariell 
aufzunehmenden Wahlprotokolls. Der V. vertritt auch hier die Gewerkschaft in allen 
ihren Angelegenheiten gerichtlich und außergerichtlich. Allein einerseits ist seine Ver- 
tretungsfunktion nicht unbeschränkt, da sie nicht nur auf die Angelegenheiten der Ge- 
werkschaft beschränkt ist, sondern auch immer, wenn es sich um Gegenstände, die nur 
mit einer Mehrheit von drei Vierteln aller Kuxe oder nur einstimmig beschlossen 
werden können, oder um Erhebung von Beiträgen handelt, einen speziellen Auftrag 
der Gewerkenversammlung voraussetzt. Andererseits ist sie (vorbehaltlich der nach 
§124 unentziehbaren Befugnisse) nicht unbeschränkbar, da etwaige Beschränkungen
	        
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