Voruntersuchung. 1197
Falle find der späteren Verwendbarkeit des erhobenen Beweismaterials und der Ver-
fügung über Freiheit und Hausrecht des Angeschuldigten u. s. w. so enge Grenzen
gezogen, daß der Uebergang zur V. nur dann länger aufgeschoben werden kann,
wenn es sich um Erkundigungen und Nachforschungen handelt, welche ohne Ueber-
schreitung jener Grenzen und überhaupt, ohne daß eine bestimmte Person ausdrücklich
als Beschuldigter behandelt wird (§ 38 Abf. 1), stattfinden können. — Läßt der Staats-
anwalt Vorerhebungen durch den Untersuchungsrichter pflegen, „um die nöthigen An-
haltspunkte für die Veranlassung des Strafverfahrens wider eine bestimmte Person oder
für die Zurücklegung der Anzeige zu finden“, so hat der Untersuchungsrichter dabei
„jene Rechte und Obliegenheiten, welche dem Untersuchungsrichter in der V. zukommen“
E 88 Abs. 1 und 2). Die Grenze hierfür liegt aber in den die Haft regelnden
Bestimmungen; die „vorläufige Verwahrung" dauert immer nur bis zur Vorführung
vor den Untersuchungsrichter; dieser hat den ihm Vorgeführten binnen 24 Stunden
zu vernehmen und „nach der Vernehmung sofort zu beschließen, ob der Beschuldigte
wieder auf freien Fuß gestellt oder wider ihn die ordentliche Untersuchungshaft ver-
hängt werden solle“. „Die ordentliche Untersuchungshaft aber kann nur gegen einen
Beschuldigten verhängt werden, welcher nach seiner Vernehmung vor dem Unter-
suchungsrichter eines Verbrechens oder Vergehens verdächtig bleibt" (§# 179, 180).
Aus diesen Gesetzesstellen in Verbindung mit § 89 Abs. 1 muß gefolgert werden,
daß die ordentliche Untersuchungshaft nicht ohne Einleitung der V. bestehen könne.
Die Befugnisse des mit den Vorerhebungen befaßten Bezirksrichters (Amtsrichter) gehen
etwas weiter; er kann dieselben einleiten, ohne daß ein Antrag des Staatsanwaltes
vorliegt und kann den ihm vorgeführten Beschuldigten, welcher auch nach seiner Ver-
nehmung der That verdächtig bleibt, bis auf weitere Weisung des Untersuchungs-
richters in vorläufiger Verwahrung behalten; allein einerseits hat er in solchem
Falle die Akten längstens binnen acht Tagen an den Staatsanwalt einzusenden, welcher
längstens binnen drei Tagen den Verhafteten außer Verfolgung zu setzen oder seine
Anträge „bezüglich der Person und des Verfahrens bei dem Untersuchungsrichter
anzubringen hat“, andererseits hat der Beschuldigte selbst das „Recht, zu verlangen,
daß er binnen 48 Stunden an den Untersuchungsrichter abgeliefert werde“ (8§§ 89
und 178). Auch den gerichtlichen Vorerhebungen ist also eine nicht willkürlich zu
verschiebende Grenze gezogen, sobald es sich um einen verhafteten Beschuldigten han-
delt; in anderen Fällen wird allerdings auch die Einleitung der obligatorischen V.
(wol meist zum Vortheil des Beschuldigten) aufgeschoben werden können, bis eine
eingehende Vernehmung des Letzteren über das vorliegende Belastungsmaterial, welche
ja den einzigen wesentlichen Bestandtheil der V. bildet, nothwendig wird. Da
übrigens auch nach Einleitung der V. der Staatsanwalt von der Verfolgung jederzeit
mit der Wirkung zurücktreten kann, daß der Untersuchungsrichter das Verfahren ein-
stellen muß, so kann der Staatsanwalt auch in keiner Weise in Versuchung kommen,
die Eröffnung der V. aus in der Sachlage nicht gegründeten Motiven hinaus-
zuschieben. — Nach der Deutschen StrasP O. trifft dies allerdings nicht zu, da
nach dieser der Antrag auf Einleitung der V. mit der dadurch erhobenen öffentlichen
Klage das Gericht endgültig und unwiderruflich befaßt. Diese Bestimmung ver-
legt allerdings die Herrschaft des Anklageprinzips aus dem Prozesse heraus an die
Schwelle desselben, sie macht die spätere Anklage zum Werk des Gerichtes und damit
das Gericht, oder wenn man lieber will, ein Gericht zum Ankläger. Sie muf aller-
dings ihren praktischen Zweck verfehlen, so weit man dabei von der Voraussetzung aus-
geht, daß die Staatsanwaltschaft durch nicht in der Sache gelegene Motive bestimmt
werden könnte; denn es müssen ihr diese Motive doch wol schon während des Vor-
bereitungsverfahrens vorliegen, und unter dieser Voraussetzung wird sie auch
um Mittel nicht verlegen sein, die Sache in der Hand zu behalten. Allein der ge-
wissenhafte, pflichtgetreue Staatsanwalt wird zwar sich vor Augen halten müssen,
daß wenn er mit der Erhebung der öffentlichen Klage sich übereilt, die Beseitigung