Voruntersuchung. 1199
setzes war, ihr bei solchen Beweiserhebungen, wenn sie im Vorbereitungsverfahren
stattfinden, die gedachten Parteirechte abzusprechen. Bestreitet man dies, so wäre
die Nothwendigkeit solcher Beweisakte allerdings ein Umstand, welcher der Staats-
anwaltschaft die ungesäumte Herbeiführung der V., sobald diese überhaupt möglich
ist, zur Pflicht machen müßte. Als Schlußergebniß zeigt sich auch hier, was die
älteren Erörterungen über die Abgrenzung der General= und Spezialinquisition er-
geben hatten: die Aufgabe des Vorbereitungsverfahrens und der V. ist die gleiche
und für die Ueberleitung in die letztere ist der Umstand entscheidend, daß nach Lage
der Sache Schritte nothwendig sind, welche der V. angehören oder ihr nicht ent-
zogen werden sollten.
Eben danach werden sich auch die Anforderungen richten, welche bezüglich der
Zulassung der Einleitung der V. gestellt werden müssen. Diese sind:
I. Ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf Eröffnung (Einleitung) der V. gegen
eine bestimmte Person wegen einer bestimmten That. Darin liegt die Wahrung
der Initiative der Staatsanwaltschaft und eben jene Geltendmachung des Anklage-
prinzips, welches den modernen Strafprozeß und mittelbar auch die V. als einen
Theil derselben beherrscht. Wenn das Wesen des Anklagegrundsatzes in der Initiative,
oder vielmehr in der Nichtinitiative des Richters, beruht, so beruht im Deutschen
Strafprozeß gerade nur die V. auf demselben, da eine V. nicht ohne Erhebung der
öffentlichen Klage durch die Staatsanwaltschaft geführt werden kann (die allerdings
in sachlicher, wenn auch nicht in formeller Hinsicht zugelassene Ausnahme charakterisirt
sich auch ganz als solche), eine Hauptverhandlung aber denkbar ist, welche lediglich
auf richterlicher Initiative beruht und in welcher der scheinbare Träger der An-
klägerrolle nur einen Gerichtsbeschluß mit Unterdrückung seiner persönlichen Ansicht
ausführt. Gilt dies für Oesterreich allerdings nicht, so ist nichtsdestoweniger in
beiden Gebieten die prinzipielle Bedeutung des Antrages der Staatsanwaltschaft für
die V. eine gleich große. Dieser Antrag bezeichnet also:
1) den Gegenstand der V. Es ist dies die im Antrag bezeichnete That,
ein bestimmter mit dem strafbaren Verhalten eines Menschen in Zusammenhane
stehender Vorfall, dessen nähere Umstände, dessen juristische Natur dis V. in der
Regel erst aufklären soll, der aber genügend individualisirt sein muß, daß die Iden-
tität des Gegenstandes der durch den Antrag erhobenen öffentlichen Klage und
der durch diesen eingeleiteten V. mit Bestimmtheit zu erkennen ist. Die juristische
Bezeichnung der That kann ein Mittel abgeben, die Beschreibung derselben abzu-
kürzen, die Behauptung, oder vielmehr den Verdacht, welcher der öffentlichen Klage
zu Grunde liegt, deutlich zu machen, den Untersuchungsrichter leicht erkennen zu
lassen, welche Richtung nach Ansicht der Staatsanwaltschaft die V. zu nehmen
hat und worauf sie ihre Meinung stützt, daß eine zur Zuständigkeit des Unter-
suchungsrichters gehörige That vorliege: von wesentlicher Bedeutung ist sie nicht.
Sie kann weder gefordert werden, noch bindet sie den Untersuchungsrichter. Dieser
ist nämlich nicht berechtigt, seine Nachforschungen auf eine andere That auszudehnen;
eine Ausnahme, die in dringenden Fällen eintritt, ist auf das Maß des unmittelbar
Nothwendigen zu beschränken, worauf dann bis auf Antrag der Staatsanwaltschaft
die Sache beruhen muß (Deutsche StrafP# O. §§ 153, 177, 189; Oesterr. StrafPO.
§§ 89 Abs. 1, 98 Abs. 1, 144). Dagegen ist die rechtliche Beurtheilung, welche im An-
trag der Staatsanwaltschaft zum Ausdruck kommt, kein Hinderniß dagegen, daß der
Untersuchungsrichter auch alles dasjenige feststelle, was nach seiner rechtlichen Beur-
theilung des Falles ihm erheblich scheint, oder was vermöge einer Aenderung des
Thatsächlichen auch den juristischen Charakter der That ändern kann (Deutsche
StrafP O. § 153 Abs. 2). Eben darum, weil unter den Händen des Untersuchungs-
richters der Gegenstand der Untersuchung, obgleich derselbe bleibend, eine sehr ge-
änderte Gestalt annehmen kann, kann auch von der Staatsanwaltschaft keine größere
Bestimmtheit ihrer Angaben gefordert werden, als die Umstände gestatten.