1206 Voruntersuchung.
der Ansicht ist, es sei das Strafverfahren einzustellen oder das Hauptverfahren zu
eröffnen; sie scheint aber auszuschließen, daß der Untersuchungsrichter, den Anträgen
der Staatsanwaltschaft vorgreifend, seiner Meinung Ausdruck gebe; allein der Um-
stand, daß die Anträge der Staatsanwaltschaft, wenn sie nicht Ergänzung der V.
bezwecken, an das Gericht zu richten sind, hat alle Ausleger veranlaßt, anzu-
nehmen, daß der Untersuchungsrichter bei der Mittheilung der Akten auch den
Schluß der Voruntersuchung auszusprechen habe. Dieser Vorgang ist aber deshalb
mißlich, weil „von dem Schlusse der V. der Angeschuldigte in Kenntniß zu setzen
ist" (§ 195 Abs. 3) und weil nach § 147 Abs. 1 „nach dem Schlusse der V.“
die Vertheidigung zur Einsicht der Akten unbedingt befugt ist. Richtet nun die
Staatsanwaltschaft an den Untersuchungsrichter den Antrag auf Ergänzung der V.,
so kann der Untersuchungsrichter diesem Antrage sofort stattgeben oder er muß, wenn
er dies nicht will, die Entscheidung des Gerichtes einholen. Im ersteren Falle ist
der Ausspruch, die V. sei geschlossen, rückgängig gemacht, im zweiten bleibt seine
Geltung bis zur Entscheidung des Gerichtes und falls gegen diese die Staatsanwalt-
schaft Beschwerde einlegt, bis zur Erledigung der letzteren dahingestellt, und es ist
ebenso mißlich, die an den Angeschuldigten ergangene Mittheilung unberichtigt zu
lassen, als sie von Phase zu Phase zu ergänzen. Die Staatsanwaltschaft kann an-
dererseits den Antrag auf Einstellung des Verfahrens stellen, oder die Anklageschrift
überreichen (vgl. d. Art. Eröffnung des Hauptverfahrens). In beiden
Fällen kann das Gericht Ergänzung der V. beschließen oder umgekehrt das Ver-
fahren einstellen. Hat die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift sofort oder in Folge
der Ablehnung ihres Einstellungsantrages überreicht, so ist diese dem Angeschul-
digten mitzutheilen. — Das Gesetz schreibt andererseits der Staatsanwaltschaft keine
Frist für die Stellung ihrer Anträge vor; es versteht sich aber von selbst, daß das
Gericht ungebührliche Verzögerung, zumal wo der Angeschuldigte verhaftet ist, nicht
dulden darf.
F. Die Rechtsmittel in der V. sind theils im Verlaufe dieses Artikels.
erwähnt worden; theils bilden sie den Gegenstand besonderer Artikel (s. d. Art. Be-
schwerde, Eröffnung des Hauptverfahrens, Untersuchungsrichter).
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