Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Wahrspruch. 1225 
ihren Ursprung nicht etwa in der Englischen Einrichtung des Spezialverdiktes 
(vermöge dessen die Geschworenen sich ihres Rechtes der Beantwortung der Schuld- 
frage in ihrer Totalität begeben und die letzte Entscheidung von der Rechtsansicht 
des Gerichtshofes über ein bestimmt bezeichnetes Moment des Thatbestandes ab- 
hängig machen), sondern in dem im Französischen Code d'Instr. crim. im Gegensatz 
zur vorausgehenden Gesetzgebung angenommenen System einheitlicher Fassung der 
Frage nach objektivem Thatbestand, Thäterschaft und Schuld. In dem Motiven- 
vortrage Treilhard's heißt es: „Wenn die Jury glaubt, daß die Hauptschuld 
erwiesen sei und wenn sie alle Nebenumstände (circonstances) ebenfalls für erwiesen 
ansieht, bejaht sie das Ganze. Erscheint ihr dagegen irgend ein Umstand nicht so 
völlig erwiesen, wie die Hauptthat (fait principal), so ist ihre Antwort bezüglich 
eines Theiles der Frage bejahend, bezüglich des Restes verneinend.“ Die Deutsche 
StrasP O. erklärt: „Sie sind berechtigt, eine Frage theilweise zu bejahen und theil- 
weise zu verneinen“, die Oesterreichische fügt hinzu: „Bei theilweiser Bejahung 
einer Frage ist die Beschränkung kurz beizufügen.“ Ihre Antwort ist dann: „Ja, 
aber nicht mit diesen oder jenen in der Frage enthaltenen Umständen.“ Aus dieser 
Befugniß der Geschworenen können namentlich dann Schwierigkeiten entstehen, wenn 
die Beschränkung keinen Thatbestand einer strafbaren Handlung übrig läßt, und also 
der Sache nach die Antwort nicht eine theilweise bejahende, sondern eine gänzlich 
verneinende ist. Die Meinung der Geschworenen kommt hier jedenfalls nicht in 
korrekter, jeden Zweifel ausschließender Weise zum Ausdruck, da sie damit einen Um- 
weg einschlagen, wo ihnen der gerade Weg offen steht. Es kann ferner vorkommen, 
daß die Geschworenen ihrer Antwort Zusätze beigeben, die auf eine Einschränkung 
abzielen mögen, die aber doch nicht lediglich Berneinungen einzelner Stellen der 
Frage enthalten, vielleicht sogar positive Feststellungen (z. B. die eines Straf- 
ausschließungsgrundes, eines Umstandes, welcher die That unter einen anderen straf- 
rechtlichen Gesichtspunkt bringt) enthalten. Zu solchen Zusätzen sind sie nicht be- 
rechtigt und es können dieselben als rechtsunwirksam angesehen werden; wol aber 
kann sich in dem Vorgange zeigen, daß die Geschworenen auch bei der Fassung der 
gestellten Fragen nicht Gelegenheit haben, ihrer wahren Meinung vollen Ausdruck 
zu geben. Es können also Antworten dieser Art Anlaß geben, die Berichtigung 
des W. (s. diesen Art.) einzuleiten. Aber die Geschworenen haben auch selbst das 
Recht, auf Abänderung der gestellten Fragen hinzuwirken; die Oesterr. StrafP O. 
( 327 Abs. 4) spricht es ihnen ausdrücklich zu und bei der Auslegung der 
Deutschen ist mit Recht angenommen worden, daß das ihnen im § 291 ein- 
geräumte Recht durch die Betretung des Berathungszimmers nicht unanwendbar 
werde. Beide Gesetze bieten ihnen jedenfalls Gelegenheit, ihre Zweifel dem Vor- 
sitzenden vorzutragen, Belehrung zu verlangen und so zu einer Aenderung der ge- 
stellten Fragen, auch wenn sie solche nicht ausdrücklich begehrten, Anlaß zu geben. 
Der Vorgang ist aber verschieden. Nach der Deutschen StrafP O. müssen sie zu 
diesem Zwecke in das Sitzungszimmer zurückkehren; nach der Oesterr. hat der Vor- 
sitzende auf schriftliches Ansuchen des Obmannes, sich unter Zuziehung des Protokoll- 
führers, dann des Anklägers und Vertheidigers, „wenn diese im Gerichtshause an- 
wesend sind“, zu ihnen zu begeben, und ist die bei dieser Gelegenheit ertheilte 
Rechtsbelehrung auf Verlangen zu Protokoll zu nehmen. Handelt es sich jedoch um 
eine Aenderung der Fragen, so ist darüber in wiedereröffneter Sitzung zu verhandeln. 
Bei der Abstimmung ist die bei Stellung der Fragen ertheilte Weisung be- 
züglich der Haupt-, Neben= und Hülfsfragen (s. d. Art. Fragestellung) 
maßgebend. — Was die Frage der Stimmenthaltung betrifft, so enthält § 197 
d. Deutschen GV. die Vorschrift: „Kein Richter, Schöffe oder Geschworener darf die 
Abstimmung über eine Frage verweigern, weil er bei der Abstimmung über eine vor- 
hergegangene Frage in der Minderheit geblieben ist.“ Nach der Oesterr. StrafP O. 
129) können sich, wenn eine Hauptfrage bejaht wurde, die dabei überstimmten
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.