Wahrspruch. 1225
ihren Ursprung nicht etwa in der Englischen Einrichtung des Spezialverdiktes
(vermöge dessen die Geschworenen sich ihres Rechtes der Beantwortung der Schuld-
frage in ihrer Totalität begeben und die letzte Entscheidung von der Rechtsansicht
des Gerichtshofes über ein bestimmt bezeichnetes Moment des Thatbestandes ab-
hängig machen), sondern in dem im Französischen Code d'Instr. crim. im Gegensatz
zur vorausgehenden Gesetzgebung angenommenen System einheitlicher Fassung der
Frage nach objektivem Thatbestand, Thäterschaft und Schuld. In dem Motiven-
vortrage Treilhard's heißt es: „Wenn die Jury glaubt, daß die Hauptschuld
erwiesen sei und wenn sie alle Nebenumstände (circonstances) ebenfalls für erwiesen
ansieht, bejaht sie das Ganze. Erscheint ihr dagegen irgend ein Umstand nicht so
völlig erwiesen, wie die Hauptthat (fait principal), so ist ihre Antwort bezüglich
eines Theiles der Frage bejahend, bezüglich des Restes verneinend.“ Die Deutsche
StrasP O. erklärt: „Sie sind berechtigt, eine Frage theilweise zu bejahen und theil-
weise zu verneinen“, die Oesterreichische fügt hinzu: „Bei theilweiser Bejahung
einer Frage ist die Beschränkung kurz beizufügen.“ Ihre Antwort ist dann: „Ja,
aber nicht mit diesen oder jenen in der Frage enthaltenen Umständen.“ Aus dieser
Befugniß der Geschworenen können namentlich dann Schwierigkeiten entstehen, wenn
die Beschränkung keinen Thatbestand einer strafbaren Handlung übrig läßt, und also
der Sache nach die Antwort nicht eine theilweise bejahende, sondern eine gänzlich
verneinende ist. Die Meinung der Geschworenen kommt hier jedenfalls nicht in
korrekter, jeden Zweifel ausschließender Weise zum Ausdruck, da sie damit einen Um-
weg einschlagen, wo ihnen der gerade Weg offen steht. Es kann ferner vorkommen,
daß die Geschworenen ihrer Antwort Zusätze beigeben, die auf eine Einschränkung
abzielen mögen, die aber doch nicht lediglich Berneinungen einzelner Stellen der
Frage enthalten, vielleicht sogar positive Feststellungen (z. B. die eines Straf-
ausschließungsgrundes, eines Umstandes, welcher die That unter einen anderen straf-
rechtlichen Gesichtspunkt bringt) enthalten. Zu solchen Zusätzen sind sie nicht be-
rechtigt und es können dieselben als rechtsunwirksam angesehen werden; wol aber
kann sich in dem Vorgange zeigen, daß die Geschworenen auch bei der Fassung der
gestellten Fragen nicht Gelegenheit haben, ihrer wahren Meinung vollen Ausdruck
zu geben. Es können also Antworten dieser Art Anlaß geben, die Berichtigung
des W. (s. diesen Art.) einzuleiten. Aber die Geschworenen haben auch selbst das
Recht, auf Abänderung der gestellten Fragen hinzuwirken; die Oesterr. StrafP O.
( 327 Abs. 4) spricht es ihnen ausdrücklich zu und bei der Auslegung der
Deutschen ist mit Recht angenommen worden, daß das ihnen im § 291 ein-
geräumte Recht durch die Betretung des Berathungszimmers nicht unanwendbar
werde. Beide Gesetze bieten ihnen jedenfalls Gelegenheit, ihre Zweifel dem Vor-
sitzenden vorzutragen, Belehrung zu verlangen und so zu einer Aenderung der ge-
stellten Fragen, auch wenn sie solche nicht ausdrücklich begehrten, Anlaß zu geben.
Der Vorgang ist aber verschieden. Nach der Deutschen StrafP O. müssen sie zu
diesem Zwecke in das Sitzungszimmer zurückkehren; nach der Oesterr. hat der Vor-
sitzende auf schriftliches Ansuchen des Obmannes, sich unter Zuziehung des Protokoll-
führers, dann des Anklägers und Vertheidigers, „wenn diese im Gerichtshause an-
wesend sind“, zu ihnen zu begeben, und ist die bei dieser Gelegenheit ertheilte
Rechtsbelehrung auf Verlangen zu Protokoll zu nehmen. Handelt es sich jedoch um
eine Aenderung der Fragen, so ist darüber in wiedereröffneter Sitzung zu verhandeln.
Bei der Abstimmung ist die bei Stellung der Fragen ertheilte Weisung be-
züglich der Haupt-, Neben= und Hülfsfragen (s. d. Art. Fragestellung)
maßgebend. — Was die Frage der Stimmenthaltung betrifft, so enthält § 197
d. Deutschen GV. die Vorschrift: „Kein Richter, Schöffe oder Geschworener darf die
Abstimmung über eine Frage verweigern, weil er bei der Abstimmung über eine vor-
hergegangene Frage in der Minderheit geblieben ist.“ Nach der Oesterr. StrafP O.
129) können sich, wenn eine Hauptfrage bejaht wurde, die dabei überstimmten