Waldgenossenschaften. 1231
Unterscheidung der dinglichen Befugnisse am Wald zur Folge hatte, eine Unterschei-
dung, die in den meisten Fällen unter der Wirksamkeit der gelehrten Richter zu
Gunsten des Eigenthumsrechts der Grundherrschaften und Territorialherren ausschlug.
Die Eigenthums= und weitgreifenden Nutzungsrechte der ehemaligen Waldgenossen am
gemeinen Wald verflüchtigten sich dabei sehr häufig in beschränkte dingliche Gebrauchs-
befugnisse, Servituten, Reallasten, die der Gemarkungsgenossenschaft, der Gemeinde,
als solcher für ihre Angehörigen oder die unmittelbar den einzelnen Besitzern bäuer-
licher Güter vorbehalten blieben und ihnen den Anspruch auf gewisse Haupt= und
Nebennutzungen, Holz, Weide, Mast, Laub u. dal. im herrschaftlichen Walde gaben.
Auch wo der markgenossenschaftliche Wald nicht in das Eigenthum der Grund= oder
Landesherren oder der kirchlichen Korporationen überging, haben sich seit den letzten
Jahrhunderten die Rechtsverhältnisse der genossenschaftlichen Waldungen unter der Ein-
wirkung der Rechtsbegriffe des Röm. Rechts, sowie unter dem Einflusse der vom
Standpunkte des Territorial= und Polizeistaats seit dem 16. Jahrh. erlassenen parti-
kularen Forst= und Waldordnungen und der modernen Landeskulturgesetzgebung, ins-
besondere der Gemeinheitstheilungen und der neueren, die öffentlich-rechtliche und
privatwirthschaftliche Seite der kommunalen Thätigkeit schärfer sondernden Gemeinde-
verfassungen, in tiefgreifender Weise umgestaltet. In vielen Territorien Deutschlands
und der Schweiz ist der Markwald in das Eigenthum der politischen Stadt= und
Landgemeinden übergegangen, wobei meist die früheren genossenschaftlichen Nutzungs-
rechte der bäuerlichen Besitzer entweder als privatrechtliche Servituten und Real-
rechte oder als aus der Gemeindeangehörigkeit abgeleitete öffentlich = rechtliche
Gebrauchsbefugnisse am Allmend= und Markungswald ganz oder theilweise ge-
wahrt wurden, so z. B. in vielen Gegenden von Bayern, Württemberg, Baden,
Nassau, in einzelnen Preußischen Provinzen, in manchen Kantonen der Schweiz.
Oder es wurde neben der politischen Ortsgemeinde eine besondere Agrargemeinde
gebildet, deren Mitgliedschaft sich nach den für die frühere Markgenossenschaft
geltenden Grundsätzen bestimmte und welcher als einer juristischen Persönlichkeit das
Eigenthum des genossenschaftlichen Waldes zufiel, während die Ansprüche der Mark-
genossen als dingliche Nutzungsrechte am korporativen Walde erhalten blieben, und
zwar derart, daß sie entweder als Zubehörden an das Eigenthum bestimmter Güter
geknüpft waren oder als selbständige Personalrechte, wie Aktien, abgelöst vom liegen-
schaftlichen Eigenthume besessen und frei veräußert werden konnten. Dies ist im
Wesentlichen der in größeren Gebieten von Sachsen, Württemberg, Braunschweig,
in manchen Preußischen Provinzen und in einigen Schweizer Kantonen geltende
Rechtszustand. Endlich sind in den alten Preußischen Provinzen, im Rheinland und
in Westfalen die Ueberreste der markgenossenschaftlichen Waldungen und ferner auch
die gemeinen Waldungen, welche im Osten bei der Durchführung der Gemeinheits-
theilung und der Ablösung der Forstservituten aus den fiskalischen und herrschaft-
lichen Wäldern neu abgesondert wurden, größtentheils als im Miteigenthum der
nutzungsberechtigten Gemarkungsangehörigen stehend anerkannt worden, so daß diese
Waldungen, freilich nicht ohne gewisse polizeiliche Beschränkungen, zum Gegenstand
freier Theilung unter den Miteigenthümern gemacht und eine lebenskräftige dauernde
genossenschaftliche Organisation zum Zweck gemeinsamer Erhaltung und Bewirth-
schaftung sehr erschwert wurde.
II. Jetziges Recht. Nicht überall wo einer Mehrheit von Personen an
einem physisch ungetheilten Walde dingliche Rechte des Eigenthums oder der Nutzung
zustehen, liegt das Rechtsverhältniß einer W. vor; andererseits kann eine W. auch
bestehen, wo die privatrechtliche Grundlage der Gemeinsamkeit dinglicher Rechte an
einem ungetheilten Walde nicht vorhanden ist. Das Charakteristische der W.
nach jetzigem Recht besteht darin, daß eine Anzahl von Waldbesitzern durch eine
dauernde Organisation zur gemeinsamen Bewirthschaftung und Benutzung oder zur
Vornahme gemeinsamer Schutzmaßregeln hinsichtlich eines äußerlich zusammenhängenden