Wechselfähigkeit. 1281
betrieb von Gewerben (z. B. mittels der Kreditgenossenschaften) Bevölkerungskreise,
welche in früheren Jahrhunderten niemals in solider Weise mit Wechseln zu thun
hatten, heutzutage naturgemäß in den Verkehr mit Wechseln, eine Thatsache, welche
von der Gesetzgebung berücksichtigt werden und nothwendig zur sog. allgemeinen W.
führen muß. Deshalb stehen mit ganz verschwindenden Ausnahmen die Gesetzgebungen
aller civilisirten Staaten auf dem Boden der allgemeinen W. (v. Wächter,
a. a. O. S. 452). Nach dem geltenden Deutschen Rechte kommt die W. allen
Personen zu, welche sich durch Verträge verpflichten können (mithin: Vertrags-
fähigkeit als W.); ob oder inwieweit sich Jemand durch Vertrag verpflichten
kann, z. B. ein Minderjähriger, eine Ehefrau, ein Haussohn u. s. w. hängt von
dem bürgerlichen Rechte des Wohnsitzes dieser Person ab. Ist nach diesem Rechte
z. B. die Zustimmung des Ehemanns zur rechtsbeständigen Entstehung von Ver-
pflichtungen der Ehefrau erforderlich, so besteht dieses Erforderniß auch für die
Entstehung einer wechselmäßigen Haftung der Ehefrau (sofern diese nicht etwa
Handelsfrau ist); eine derartige Zustimmung muß im Wechsel selbst erklärt sein,
zweifellos mindestens dann, wenn der Wechsel die Frau als Ehefrau bezeichnet
(vugl. Entsch. des ROH#G. Bd. II. S. 177 und Thöl, a. a. O. § 23), doch
ist die Zustimmung des Ehemanns zum Indossament der Ehefrau aus der That-
sache zu folgern, daß Ersterer an die Order der Letzteren trassirte oder indossirte,
und die Zustimmung zum Accept aus der Thatsache, daß der Ehemann die Ehefrau
als Bezogene nannte, nicht aber aus der einfachen Mitunterschrift des Mannes neben
der Ehefrau (vgl. Busch, Archiv für H.= und W. R. Bd. IV. S. 192) und auch
nicht daraus, daß der Erstere eine von Letzterer auf ihn gezogene Tratte acceptirte
(denn das Accept ist gültig, auch wenn die Ausstellung ungültig war, vgl. Thöl,
a. a. O. S. 106, anderer Ansicht das ROSHG., Entsch. Bd. III. S. 51, 52).
(Ueber Kaufmanns-W. und sog. relative W. f. Thöl a. a. O. 8§§ 24, 25.) eber
die nichtwechselmäßige Haftung für Wechselschulden auf Grund des ehelichen Güter-
rechts u. dgl. s. Entsch. des ROHG. Bd. XXIV. S. 57.
Die von Wechselunfähigen auf einen Wechsel gesetzten Unterschriften sind un-
gültig, derart, daß sie auch nicht durch Vertrag, Verzicht oder dgl. gültig gemacht
werden können, sie sind aber ohne Einfluß auf die Verbindlichkeiten der wechsel-
fähigen. Personen, welche denselben Wechsel gültig unterzeichnet haben. Jede wechsel-
mäßige Erklärung (z. B. Ausstellung, Giro, Accept) ist demnach für sich allein
wirksam, insofern sie unabhängig ist von der Unwirksamkeit von Erklärungen wechsel-
unfähiger Personen, nicht aber insofern es sich um objektive Eigenschaften des Wechsels
handelt.
Was die W. eines Ausländers anlangt, so hängt dieselbe prinzipiell von dem
Heimatsrechte (nicht gerade der lex domicilä) ab; diesem sog. Nationalitätsprinzip
huldigt mit den meisten geltenden Gesetzgebungen auch die Deutsche WO.: die
Fähigkeit eines Ausländers (über den Begriff Ausland s. Entsch, des ROpG. Bd. VI.
S. 358, Bd. XXI. S. 336), wechselmäßige Verpflichtungen einzugehen, wird nach
den Gesetzen des Staates beurtheilt, welchem derselbe angehört. (Vgl. Asser,
Das internat. Privatrecht, bearbeitet von M. Cohn, 1880, S. 29 ff. und die
dort cit. Lit.) Allein im Interesse der Verkehrserleichterung macht die Deutsche
WO. eine Ausnahme von jenem Prinzipe: Ein Ausländer, der nach den Gesetzen
seines Vaterlandes der W. entbehrt, wol aber nach dem Recht des Inlandes wechsel-
fähig ist, kann sich im Inlande wechselmäßig verpflichten.
Quellen: Allg. Deutsche W#. Art. 1, 84.
Lit.: Thöl, H.R., Bd. II. W.R., 4. Aufl. §§ 21—26. — O. v. Wächter. Encyklop.
d. W. R., S. 443 ff. beide sehr viel Detail bietend. — Die Präjudizien s. bei Fuch uer gerr.
Die Entscheidungen des ROHG. und des Reichsger- uf dem Gebiete des W.R., 1881 S. 5
und Borchardt, Allg. Deutsche WO., 7. Aufl. S. 3 ff. Gareis.
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl. 81