Weideservituten. 1303
des Mannsstammes das Verhältniß zum letzten Besitzer, also die Nähe der Linie
und des Grades zu diesem. (Dementsprechend hat die Erbtochter der Regredient-
erbin gegenüber den Vorzug.) Konkurriren beim Uebergange des Lehns vom Manns-
stamme berechtigte Kognaten verschiedenen Geschlechts, so hat das männliche Geschlecht
den Vorzug; ebenso tritt unter den Descendenten des Lehnsfolgers, der hiernach zur
Succession gelangt, wieder der Vorzug des Mannsstammes ein. (Beides sehr
bestritten.)
Lit.: Boehmer, Principia juris feudalis, §§ 124—126. — Schnaubert, Kommentar
(2. Aufl.), S. 438—53. — Weber, Handb., III. 267—322. — Pätz, §§ 104, 112. — Eich-
horn, §s§ 349, 50, 58. — Pfeiffer bei Weiste VI. 559 ff. — Pfizer, behnefolge S.
41 ff., 94 ff. — Mayr, 8§§ 83, 95. — v. Gerber, §271. — Beseler, §§ 155, 54. — Wegen
der Regredienterben auch Lewis, Familienfideikommiß, S. 393 ff. — Für einzelne Fragen:
Schulze, Aus der Praxis des Staats= und Privatrechts, S. 86 ff. — Für das Preuß.
Recht: Allg. LR. I. 18 §8 422—36. — Für das Mecklenburg.: Roth, §§ 15, 57. — Für
das Sächse Zachariä, § 80. — Für das Bayer.: Mayr a. a. O. Franklin.
Weideservituten (Th. I. S. 502). I. Begriff und Arten. Das Recht,
auf den einem Anderen zu Eigenthum oder zur dinglichen Hauptnutzung gehörigen
land= und forstwirthschaftlichen Grundstücken Vieh weiden zu lassen, auch die Hutung
oder Hude genannt, kann auf einem obligatorischen oder einem dinglichen Rechtstitel
beruhen. Ein obligatorischer Titel liegt dann vor, wenn die Weidenutzung durch
Pachtvertrag oder prekäre Gestattung eingeräumt ist. Ein dinglicher Titel kann
durch den Vorbehalt des Weiderechts für den Obereigenthümer an den zu Lehn,
Erblehn und Erbzins vergebenen Gütern oder durch das Miteigenthum der Ge-
markungsgenossen an den noch in ungetheilter Gemeinheit stehenden Weide= und
Waldflächen begründet sein; am häufigsten aber beruht das dingliche Weiderecht
auf einer Servitut. Solche W. sind auf dem Boden des Germanischen Landwirth-
schaftsrechts als Ergebnisse der mittelalterlichen Flurverfassung in einer großen Fülle
mannigfacher Gestaltungen erwachsfen; mit Einführung des Röm. Rechts sind sie im
Wesentlichen in den Römischen Servitutenbegriff eingeordnet worden, der übrigens
in Berücksichtigung der geschichtlichen Entwickelung und der landwirthschaftlichen Be-
dürfnisse mehrfache Modifikationen erfuhr. «
Man unterscheidet folgende Arten der W.: 1) nach der Person der Berech-
tigten: Real= oder Personalservituten. Bei den Realservituten steht das Recht
der Weide dem Eigenthümer, bzw. Nutzeigenthümer des herrschenden Grundstücks zu;
der Inhalt der Realservitut kann bei den Weiderechten, abweichend vom strengen
Servitutenbegriff des Röm. Rechts, derart erweitert werden, daß für den Besitzer
des herrschenden Grundstücks auch über den landwirthschaftlichen Bedarf seines Be-
sitzthums hinaus und auch an nicht nachbarlich gelegenen Gütern Weidebefugnisse
begründet werden. Als Personalservitut kommt das Weiderecht seltener vor,
namentlich derart, daß eine juristische Person, z. B. die Gemeinde für ihre Mit-
glieder in dem Herrschaftswalde, weideberechtigt ist. 2) Wo einer Mehrheit von
Personen Weiderechte zustehen, welche durch das ungetheilte der Weide unterliegende
dienende Grundstück oder durch Verhältnisse der Wechselfeitigkeit in einen rechtlichen
Zusammenhang — Koppelweide im weiteren Sinne — gebracht sind, unterscheidet
man von Altersher folgende Arten von Weiderechten: a) das jus compascendi, das
Recht des Eigenthümers des dienenden Grundstücks, neben dem Servitutberechtigten
die Weide auszuüben, keine Servitut, sondern ein Ausfluß des Eigenthumesrechts;
b) das jus compascui, die Mehreren gemeinschaftlich an einem fremden Grundstück
zustehende W.; c) das jus compasculationis reciprocum, das Recht mehrerer Grund-
besitzer, gegenseitig auf ihren Grundstücken die Weide gemeinschaftlich auszuüben,
welches Recht entweder ein dingliches, auf den Titel des Eigenthums oder einer
Servitut gegründetes ist, oder sich als ein obligatorisches Verhältniß der prekären
wechselseitigen Gestattung darstellt; letzteres ist insbesondere dann anzunehmen, wenn