1304 Weldeservituten.
die wechselseitige Weide (Behütung) nicht regelmäßig und beständig auf ebendenselben
Grundstücken angrenzender Besitzer, sondern nur zuweilen und bald auf diesen, bald
auf jenen Stücken stattfindet (Preuß. Allg. LR. 1. 22 §8§ 135, 136); d) das jus
compasculationis im engeren Sinne, das Recht der Gemeindemitglieder, entweder
auf den ungetheilt der Gemeinde gehörigen Grundstücken oder überhaupt auf der
ganzen Gemeindemarkung gemeinschaftlich und wechselseitig zu weiden. Soweit dieses
Recht an der gemeinen Allmend stattfindet, ist es, falls die Allmend ungetheiltes
Privateigenthum der Gemarkungsgenossen ist, als ein Ausfluß des Miteigenthums,
falls dagegen das Allmendgut der Gemeindekorporation als solcher zu Eigenthum
gehört, je nach dem Rechtstitel entweder als eine den Gemeindeangehörigen an dem
liegenschaftlichen Eigenthum der Gemeinde zustehende Servitut oder als eine ge-
meindeverfassungsmäßig durch die kommunalen Organe den Gemeindebürgern kraft
öffentlichen Rechts eingeräumte und in gleicher Form widerrufliche Befugniß zu be-
trachten. 8) Nach seinem Inhalte ist das Weiderecht entweder ein bestimmtes,
wenn nämlich Art und Zahl des einzutreibenden Viehes, Zeit und Oertlichkeiten
der Hutung und sonstige Modalitäten kraft Rechtstitels besonders festgesetzt sind;
oder es ist nach der einen und anderen Beziehung unbestimmt.
II. Befugnisse des Weideberechtigten. Bei der bestimmten W ist für
das Maß und die Art der Ausübung zunächst der Rechtstitel maßgebend, und zwar
nicht blos der Vertrag oder der sonstige Akt, wodurch die W. bestellt oder deren
Inhalt geregelt wurde, sondern da W. auch durch Ausübung seit unvordenklicher
Zeit und durch sonstige Verjährung ersessen werden können, auch der während der
Ersitzungszeit maßgebend gewesene Zustand thatsächlicher Ausübung. Liegt eine
solche nähere Bestimmung hinsichtlich des Inhalts der W. nicht vor, so gilt der
Grundsatz, daß die Art und die Zahl des einzutreibenden Viehs sich nach dem Be-
dürfniß des Berechtigten, also bei Realservituten nach dem wirthschaftlichen Bedarf
des herrschenden Grundstücks bemißt; der Berechtigte darf so viel Vieh zur Weide
treiben, als er mit dem auf dem herrschenden Grundstück gewonnenen Futter über-
wintern kann; #nicht aber Vieh, das er für den Handel aufzieht, oder das er für
ein neben der Landwirthschaft betriebenes Gewerbe (z. B. als Fuhrmann) bedarf;
wol aber kann er durch rationelleren landwirthschaftlichen Betrieb auf dem herr-
schenden Grundstück die für die Ueberwinterung vorräthige Futtermenge und damit
auch die Zahl des einzutreibenden Weideviehs vermehren. Fremdes, insbesondere
gepachtetes Vieh darf der Berechtigte nur dann eintreiben, wenn er dasselbe zur
Verbesserung der Kultur des herrschenden Grundstücks hält. Die Ausübung des
Weiderechts darf er an Andere nicht gesondert, sondern nur durch Verpachtung des
herrschenden Grundstücks überlassen. Eine wichtige Schranke für die Ausdehnung
des unbestimmten Weiderechts ist durch den allgemeinen Grundsatz pfleglicher
Ausübung gezogen; danach darf der Weideberechtigte Weidevieh nur in solcher Zahl
und Art und zu solchen Zeiten eintreiben, daß dadurch die land= oder forstwirth-
schaftliche Hauptnutzung des dienenden Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigt und
die Substanz desselben nicht geschädigt wird. Von diesem Gesichtspunkte aus muß
sich der Berechtigte sogar unter Umständen die Beschränkung einer quantitativ be-
stimmten W. gefallen lassen und darf er bei unbestimmten W. nur solche Vieharten
eintreiben, welche dem dienenden Grundstücke nicht schädlich sind, in der Regel nur
Pferde, Rindvieh und Schafe, ohne befondere Rechtstitel keine Schweine oder Gänfe,
in den Wald keine Ziegen; aus dem gleichen Grunde darf er verseuchtes oder un-
reines Vieh nicht zur Weide schicken und die W. nur in den offenen Zeiten und
Schlägen, also im Walde nicht in Schonungen, im Felde nur auf der Brachflur
und nach eingeheimster Ernte, ausüben; auch hat er für das Vorhandensein gehöriger
Aufsicht durch Bestellung eines Hirten oder in anderer Weise, zu sorgen.
III. Verpflichtungen und Befugnisse des Besitzers des dienenden
Grundstücks. Der Letztere darf nicht durch Kulturveränderungen oder sonstige Maß-