Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Wiederaufnahme des Strafverfahrens. 1325 
Hauptsache, das judicium rescissorium, wird aber immer als Fortsetzung des ersteren 
angesehen. Wird die Klage bei dem Revisionsgericht verhandelt, so hat dasselbe, 
obwol ihm der Regel nach die Würdigung bestrittener Thatsachen entzogen ist und 
es nöthigenfalls die Sache in die frühere Instanz zurückzuweisen hat, stets das 
indicium rescindens (nicht das rescissorium) zu erledigen, selbst wenn es dabei auf 
die Feststellung und Würdigung von Thatsachen ankommt. 
Im Uebrigen kommen die allgemeinen Vorschriften über den Anwaltsprozeß zur 
Anwendung. Indessen ist eine Eideszuschiebung zum Beweise der Thatsachen, welche 
die Restitutionsklage begründen, ausgeschlossen. Rechtsmittel gegen die Entscheidungen 
über die beiden Klagen sind insoweit zulässig, als sie überhaupt gegen die Urtheile 
der betreffenden Gerichte statthaben. 
Man hat neuerdings, so Schwalbach, Archiv für civ. Praxis Bd. LXIII. 
S. 122 ff., einen begrifflichen Unterschied zwischen beiden Klagen geleugnet. Wenn 
aber auch die Deutsche CPO. beide Klagen prozessualisch fast durchweg nach den- 
selben Grundsätzen behandelt, so erkennt sie doch selbst die prinzipielle Verschiedenheit 
ihrerseits in der Vorschrift deutlich genug an, daß wenn beide Klagen von derselben 
Partei oder von verschiedenen Parteien erhoben werden, die Verhandlung und Ent- 
scheidung über die Restitutionsklage bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die 
Nichtigkeitsklage auszusetzen ist. Sie geht also davon aus, daß in dem Falle der 
Nichtigkeit das Urtheil nur eine Scheinexistenz führt, in dem anderen Falle 
dagegen an sich völlig rechtsgültig ist. Der Schein der inneren Verwandtschaft 
wird nur dadurch erregt, daß die Rechtsordnung im Interesse der Rechtssicherheit 
die Rüge der Verletzung absoluter Prozeßvorschriften beschränken und unter gewissen 
Voraussetzungen ganz ausschließen muß (vgl. darüber Bülow, a. a. O. Bd. LXIV. 
S. 33 ff.). Die Sache liegt demnach so, daß die Restitutionsklage sich als ein 
außerordentlicher Weise gegebenes Anfechtungsmittel gegen formal allen absoluten 
Prozeßvorschriften entsprechende Urtheile darstellt, dagegen die Nichtigkeitsklage das 
begrifflich statthafte Anfechtungsmittel wegen Verstöße gegen absolute Prozeßvorschriften 
ist, welches aber sowol durch Reduzirung der letzteren als auch durch Anerkennung 
der nachträglich heilenden Kraft einer Reihe von Momenten erst außerordentlicher 
Weise beschränkt wird. 
Quellen: Deutsche CPO. 88§ 541—554. 
Lit.: v. Kries, D.ochtzmittel des Civ. Proz. u. StrasProz. nach! d. Best. d. Deutsch. 
Reichsges., Berlin 1880. S. 4 6 ff. P. Hinschius. 
Wiederaufnahme des Strafverfahrens. I. Es widerspricht dem in dem 
heutigen Prozeß anerkannten Prinzipe der Rechtskraft des Urtheils (s. den Art. 
Rechtskraft im Strafprozeß), wenn über eine endgültig entschiedene Strassache 
noch einmal verhandelt wird; allein es widerspricht ebenso sehr dem Streben nach 
materieller Wahrheit, wenn man Strafurtheile aufrecht erhalten wollte, deren Un- 
haltbarkeit dargethan werden kann. Daher haben die StrafP O. die W., auch 
Restitution genannt, theils nur zu Gunsten, theils auch zu Ungunsten des Ange- 
klagten ausnahmsweise aus gewissen Gründen gestatttet. Die verschiedenen 
Bestimmungen der StrafO. über die W. sind vollständig abgedruckt in der 2. 
Anlage zu den Motiven einer Deutschen Straf# O. (Hahn, Materialien zur StrafO. 
Bd. III. Abth. I. S. 378—389). 
II. Die Deutsche Straf O. widmet der W. das vierte Buch und gestattet 
den Antrag auf W., den sie nicht als Rechtsmittel ansieht, obgleich die allgemeinen 
Bestimmungen über Rechtsmittel auf ihn anzuwenden sind, sowol zu Gunsten als. 
zu Ungunsten des Verurtheilten bzw. Freigesprochenen. Der Verurtheilte it hier- 
bei jedoch besser gestellt als die Staatsanwaltschaft. 
ß J. Zu Gunsten des Verurtheilten findet die W. statt (Sttafpo. 
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