Wiederaufnahme des Strafverfahrens. 1327
Die W. ist bei demjenigen Gerichte zu beantragen, dessen Urtheil angefochten
ist. Ist ein Urtheil in der Berufungsinstanz ergangen, so ist das Berufungsurtheil
in der Regel das angefochtene, jedoch ausnahmsweise das erstinstanzliche, wenn das
Berufungsgericht die Schuldfrage nicht erörtert hat. Hinsichtlich der in der Revisions-
instanz erlassenen Urtheile hat die Deutsche StrafP O. vorgeschrieben, daß der Antrag
nur dann bei dem Revisionsgerichte zu stellen ist, wenn es sich um eine in der
Revisionsinstanz begangene mit krimineller Strafe bedrohte Verletzung der Amts-
pflicht eines Richters, Schöffen oder Geschworenen handelt. Abgesehen von dem
erwähnten Falle muß der Antrag also bei dem Gerichte gestellt werden, gegen dessen
Urtheil die Revision eingelegt war. (Ueber die bestrittene Auslegung des § 407
und die Details vgl. besonders Löwe, Binding und v. Kries.)
Ueber die Zulassung des Antrages auf W. entscheidet das Gericht (Amtsrichter
ohne Schöffen, Strafkammer in der Besetzung mit drei Mitgliedern, Strafsenat des
Oberlandes= oder Reichsgerichts) ohne mündliche Verhandlung. Der Antrag wird
durch Beschluß als unzulässig verworfen, wenn die formalen Vorschriften
nicht beobachtet sind, d. h. wenn er nicht in der vorgeschriebenen Form angebracht
oder ein gesetzlicher Grund der W. oder ein geeignetes Beweismittel nicht angegeben
ist. Sind dagegen die formalen Vorschriften beobachtet, so wird der Antrag dem
Gegner des Antragstellers unter Bestimmung einer Frist zur Erklärung zugestellt.
Zugleich wird ein Verfahren eingeleitet, um die Frage beantworten zu können, ob,
wenn die Behauptungen des Antragstellers richtig sind, zu einer erneuten mündlichen
Verhandlung zu schreiten sei. Mit der zu diesem Zwecke eintretenden Beweis-
aufnahme wird ein Richter beauftragt. Ob Zeugen oder Sachpverständige eidlich zu
vernehmen seien, ist dem Ermessen des Gerichts überlassen. Die Parteien können
unter denselben Bedingungen wie in der Voruntersuchung der Beweisaufnahme bei-
wohnen. Nach Schluß derselben sind beide Parteien unter Bestimmung einer Frist
zur Erklärung aufzufordern.
Die Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit der W. erfolgt ohne
mündliche Verhandlung. Der Antrag wird durch Beschluß des Gerichts als
unbegründet verworfen, 1) wenn die in demselben aufgestellten Behauptungen
keine genügende Bestätigung gefunden haben oder 2) wenn zwar in dem früheren
Verfahren die als echt vorgebrachte Urkunde fälschlich angefertigt oder verfälscht war
oder der Zeuge oder Sachverständige sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Ver-
letzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat, allein die Annahme ausgeschlossen ist,
daß diese Handlungen auf das Urtheil von Einfluß gewesen sind.
Wird der Antrag für begründet erachtet, so verordnet das Gericht die W.
und die Erneuerung der Hauptverhandlung (erster, zweiter oder dritter Instanz).
Kommt das Gericht in der neuen Hauptverhandlung zu der Ansicht, daß ein von
dem früheren Urtheil abweichendes nicht zu erlassen, so ist das frühere Urtheil auf-
recht zu erhalten, in allen übrigen Fällen dagegen unter Auphebung desselben
anderweit in der Sache zu erkennen. Für das Gericht gilt das Verbot der
reformatio in pejus (s. diesen Art.), wenn die W. nur von dem Verurtheilten
oder zu Gunsten desselben von der Staatsanwaltschaft oder von dem gesetzlichen Vertreter
des Beschuldigten bzw. dem Ehemanne einer beschuldigten Frau beantragt worden ist.
IV. Ein abgekürztes Verfahren, d. h. eine Erledigung des Antrages durch Urtheil
ohne Erneuerung der Hauptverhandlung, tritt ein, wenn der Verurtheilte
bereits gestorben und auf Freisprechung zu erkennen ist. Ist dies letztere jedoch nicht
der Fall, so ist der Antrag nicht zu verwerfen, sondern abzulehnen. Auch in
anderen Fällen kann das Gericht ohne Erneuerung der Hauptverhandlung den Antrag
erledigen, wenn auf Grund der bereits vorliegenden Beweise auf Freisprechung
zu erkennen ist und die Staatsanwaltschaft bzw. der Privatkläger ihre Zustimmung
ertheilt haben. Mit der Freisprechung ist die Aufhebung des früheren Urtheils zu ver-
binden. Auf Verlangen des Antragstellers ist die Aufhebung durch den Deutschen