Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Wiederaufnahme des Strafverfahrens. 1327 
Die W. ist bei demjenigen Gerichte zu beantragen, dessen Urtheil angefochten 
ist. Ist ein Urtheil in der Berufungsinstanz ergangen, so ist das Berufungsurtheil 
in der Regel das angefochtene, jedoch ausnahmsweise das erstinstanzliche, wenn das 
Berufungsgericht die Schuldfrage nicht erörtert hat. Hinsichtlich der in der Revisions- 
instanz erlassenen Urtheile hat die Deutsche StrafP O. vorgeschrieben, daß der Antrag 
nur dann bei dem Revisionsgerichte zu stellen ist, wenn es sich um eine in der 
Revisionsinstanz begangene mit krimineller Strafe bedrohte Verletzung der Amts- 
pflicht eines Richters, Schöffen oder Geschworenen handelt. Abgesehen von dem 
erwähnten Falle muß der Antrag also bei dem Gerichte gestellt werden, gegen dessen 
Urtheil die Revision eingelegt war. (Ueber die bestrittene Auslegung des § 407 
und die Details vgl. besonders Löwe, Binding und v. Kries.) 
Ueber die Zulassung des Antrages auf W. entscheidet das Gericht (Amtsrichter 
ohne Schöffen, Strafkammer in der Besetzung mit drei Mitgliedern, Strafsenat des 
Oberlandes= oder Reichsgerichts) ohne mündliche Verhandlung. Der Antrag wird 
durch Beschluß als unzulässig verworfen, wenn die formalen Vorschriften 
nicht beobachtet sind, d. h. wenn er nicht in der vorgeschriebenen Form angebracht 
oder ein gesetzlicher Grund der W. oder ein geeignetes Beweismittel nicht angegeben 
ist. Sind dagegen die formalen Vorschriften beobachtet, so wird der Antrag dem 
Gegner des Antragstellers unter Bestimmung einer Frist zur Erklärung zugestellt. 
Zugleich wird ein Verfahren eingeleitet, um die Frage beantworten zu können, ob, 
wenn die Behauptungen des Antragstellers richtig sind, zu einer erneuten mündlichen 
Verhandlung zu schreiten sei. Mit der zu diesem Zwecke eintretenden Beweis- 
aufnahme wird ein Richter beauftragt. Ob Zeugen oder Sachpverständige eidlich zu 
vernehmen seien, ist dem Ermessen des Gerichts überlassen. Die Parteien können 
unter denselben Bedingungen wie in der Voruntersuchung der Beweisaufnahme bei- 
wohnen. Nach Schluß derselben sind beide Parteien unter Bestimmung einer Frist 
zur Erklärung aufzufordern. 
Die Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit der W. erfolgt ohne 
mündliche Verhandlung. Der Antrag wird durch Beschluß des Gerichts als 
unbegründet verworfen, 1) wenn die in demselben aufgestellten Behauptungen 
keine genügende Bestätigung gefunden haben oder 2) wenn zwar in dem früheren 
Verfahren die als echt vorgebrachte Urkunde fälschlich angefertigt oder verfälscht war 
oder der Zeuge oder Sachverständige sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Ver- 
letzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat, allein die Annahme ausgeschlossen ist, 
daß diese Handlungen auf das Urtheil von Einfluß gewesen sind. 
Wird der Antrag für begründet erachtet, so verordnet das Gericht die W. 
und die Erneuerung der Hauptverhandlung (erster, zweiter oder dritter Instanz). 
Kommt das Gericht in der neuen Hauptverhandlung zu der Ansicht, daß ein von 
dem früheren Urtheil abweichendes nicht zu erlassen, so ist das frühere Urtheil auf- 
recht zu erhalten, in allen übrigen Fällen dagegen unter Auphebung desselben 
anderweit in der Sache zu erkennen. Für das Gericht gilt das Verbot der 
reformatio in pejus (s. diesen Art.), wenn die W. nur von dem Verurtheilten 
oder zu Gunsten desselben von der Staatsanwaltschaft oder von dem gesetzlichen Vertreter 
des Beschuldigten bzw. dem Ehemanne einer beschuldigten Frau beantragt worden ist. 
IV. Ein abgekürztes Verfahren, d. h. eine Erledigung des Antrages durch Urtheil 
ohne Erneuerung der Hauptverhandlung, tritt ein, wenn der Verurtheilte 
bereits gestorben und auf Freisprechung zu erkennen ist. Ist dies letztere jedoch nicht 
der Fall, so ist der Antrag nicht zu verwerfen, sondern abzulehnen. Auch in 
anderen Fällen kann das Gericht ohne Erneuerung der Hauptverhandlung den Antrag 
erledigen, wenn auf Grund der bereits vorliegenden Beweise auf Freisprechung 
zu erkennen ist und die Staatsanwaltschaft bzw. der Privatkläger ihre Zustimmung 
ertheilt haben. Mit der Freisprechung ist die Aufhebung des früheren Urtheils zu ver- 
binden. Auf Verlangen des Antragstellers ist die Aufhebung durch den Deutschen 
 
	        
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