1356 Wucher.
W. gesetz entstanden ist, illusorisch, denn sie würde das W. delikt begrifflich gar nicht
berühren, sondern nur den Eintritt der Strafbarkeit an eine Bedingung knüpfen.
Landesgesetzlich ist eine solche Beschränkung bezüglich der Pfandleiher eingeführt, die
nach § 1 des Preußischen Gesetzes z. B. 2 Pf. pro Mark und Monat von Darlehen
bis zu 80 Mark (24 Proz.) und von jeder diesen Betrag übersteigenden Mark
monatlich 1 Pf. (12 Proz.) nehmen dürfen. Ueberschreiten sie diese Satze, so ist
das eine nach § 360 Nr. 12 des Strafe#B. zu bestrafende Uebertretung, W. nur
dann, wenn der Thatbestand der §5§ 302 àld des Straf GB festgestellt wurde, was
niemals geschehen kann, so lange die Pfandleiher innerhalb der landesgesetzlichen
Grenzen sich bewegen (vgl. Urtheil des Reichsger, vom 5. Januar 1881 — Entsch.
III. S. 176). Eine allgemeine Zinsschranke in gleicher Höhe (12—15 Proz.) wäre
wol um so unbedenklicher, da dieser Satz zwar als dauernde Rente unerschwinglich
sein mag, für ein Nothdarlehn jedoch billig ist, dem eigentlichen Wucherer wenigstens
kaum jemals genügen wird. Viel höher wird man nicht greifen dürfen, oder gar,
wie Ortmann will, 25 Proz. als Maximum im Sinne der alten Zinsgesetze auf-
stellen. Damit wäre derselbe Fehler gemacht, der zur Abschaffung jener Gesetze
führte und außerdem der Richter gezwungen, viele Fälle schamlosen W. straflos zu
lassen. Sonst könnte man formell gegen die Straflosigkeit einer Zinsforderung bis
zu einer gewissen gesetzlich ein für allemal bestimmten Höhe so wenig einwenden,
wie dagegen, daß jugendliches Alter bis zu einem bestimmten Termine vor Strafe
schützt, ohne daß die individuellen Verhältnisse, z. B. etwa vorhandene Erkenntniß
der Strafbarkeit, auf die allgemein gegebene Bestimmung von Einfluß wären. Die
Befürchtung aber, daß ein solcher eine Gefahrprämie einschließender Satz bald der
regelmäßig zur Anwendung kommende sein werde, ist wol müssig. Wenn auch nach
früheren Erfahrungen der übliche Zinsfuß stets nur wenig unter dem erlaubten
Maximum blieb, so lag das an der geringen Höhe des letzteren. Die positive
Gesetzgebung kann den Zins nicht gewaltsam ermäßigen, aber auch nicht erhöhen, da
sich die maßgebenden Faktoren in beiden Fällen ihrer direkten Einwirkung entziehen.
Das Ueberschreiten des üblichen Zinsfußes wird in den meisten Fällen sicherer
festzustellen sein als ein Mißverhältniß zwischen den vom Schuldner versprochenen
Vermögensvortheilen und den Leistungen des Gläubigers. Die Ermittelung des
richtigen Maßes in dieser Beziehung kann jedenfalls nur unter Berücksichtigung aller,
den Preis eines Darlehns bestimmender Faktoren geschehen. Falls der Schuldner
in vollem Umfang kreditwürdig erscheint, wird der Gebrauchswerth entscheidend sein.
Derselbe ist für den Gläubiger nach allgemeinen Gesichtspunkten zu bestimmen, dessen
individuelle Bedürfnisse den Preis des Darlehns nur ausnahmsweise beeinflussen.
Es kommt dem Schuldner eben regelmäßig weniger auf die Person des Gläubigers
als darauf an überhaupt Geld zu erhalten. Bei Letzterem dagegen macht es einen
wesentlichen Unterschied, ob er das Geld benutzen will um durch dasselbe ein Ein-
kommen zu erzielen oder ein bestimmtes Genußbedürfniß zu befriedigen, ob es sich
um ein Produktiv= oder ein Konsumtivdarlehn handelt. Im ersten Fall richtet
sich der Gebrauchswerth für den Schuldner nach der Höhe des Einkommens, welches
er durch Verwendung des geborgten Kapitals zu erzielen hofft. Er muß deshalb
das fremde Geld so lange behalten können, bis er dessen Nutzwirkung für sich genossen
hat und wenn dazu Monate, Wochen, vielleicht gar Tage, z. B. bei Ausnutzung
einer bestimmten Konjunktur, ausreichen, so kann er als Gebrauchsvergütung Vortheile
gewähren, die als jährliche Prozente ungeheuerlich scheinen, im gegebenen Fall aber
erträglich find, weil auch unter Hinzurechnung derselben zu den Geschäftsspesen dem
Schuldner noch ein Gewinn verbleibt. Eine solche höhere Verzinsung kurzzeitiger
Darlehen ist auch vom Standpunkt des Gläubigers aus eine berechtigte Forderung,
weil mit der Wiederanlegung des Geldes neue Mühe verbunden, ferner dieselbe
vielleicht nicht gleich thunlich ist, also Zinsverlust eintreten kann. Wucherliche Aus-
beutung liegt darin nicht, auch dann nicht, wenn sich der Schuldner über den er-