Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1358 Wucher. 
schaftliche Gesetze für sich anruft, während er die Bedingungen für deren Wirksamkeit 
in seinem Treiben thatsächlich ausschließt. Er will nicht eine gewisse Geldsumme 
an einen möglichen großen Gewinn wagen, sondern er will von einem wirklich 
durchaus sichern Kapital Vortheile ziehen, deren Gewährung den wirthschaftlichen 
Ruin des. Schuldners bedeutet. In der That giebt kaum jemals ein Wucherer ein 
Darlehn, wenn er nicht die Möglichkeit sieht, sich durch den Besitz des Schuldners 
oder aus dessen Einkommen reichlich bezahlt zu machen. Sein Streben geht dahin 
in seinem Interesse den Schuldner fortwährend zu höchster Anspannung aller wirth- 
schaftlichen Kräfte zu zwingen und ihm doch zugleich die Tilgung seiner Schuld 
unmöglich zu machen und unter der Form von Zinszahlungen, nicht nur die Amorti- 
sation des ursprünglichen Kapitals einschließlich der nothwendigen Zinsen, sondern 
noch darüber hinaus so viel wie möglich zu erhalten. Das wird am Einfachsten 
erreicht, wenn der Gläubiger die Fälligkeitstermine so legt, daß sie von Seiten des 
Schuldners nicht eingehalten werden können und nun bei den nothwendig werdenden 
Stundungen von Termin zu Termin die nominell zu verschreibende Summe wächst. 
Hier genügen selbst anscheinend mäßige Zinsen, und außerdem hat der Gläubiger 
noch die Aussicht eines Gewinnes bei dem endlichen Konkursverfahren, da seine 
angebliche Forderung die wirkliche Leistung um ein Vielfaches übersteigt. Hier 
besteht unzweifelhaft ein auffallendes Mißverhältniß zwischen Leistung und Gegen- 
leistung, welches der Richter mit Sicherheit erkennen kann, ohne sich an der unlös- 
baren Aufgabe abzumühen, das iustum pretium im einzelnen Fall zu ermitteln. 
Da das Deutsche W Dgesetz ausgesprochener Maßen keine allgemeine Regelung des 
Darlehnspreises erzielen, sondern das Parasitenthum des die wirthschaftlichen Kräfte 
aussaugenden Wuchers bekämpfen will, so entspricht eine solche Beschränkung ebenso 
wol dem Geiste des Gesetzes, wie seinem Wortlaut. Die Leistungen des Gläubigers 
und des Schuldners stehen nur dann in einem auffallenden Mißverhältnisse, wenn 
das gegebene Darlehn der Anlaß dazu war, von dem Schuldner Vermögensvortheile 
zu erlangen, deren Betrag nicht mit Rücksicht auf jenes, sondern einzig nach der 
individuellen Leistungsfähigkeit des Schuldners bemessen wird. Dieses wirthschaftlich 
ungerechtfertigte Verfahren braucht sich nicht schon bei der Hingabe des Darlehns 
selbst zu zeigen, es kann erst bei den Prolongationsverhandlungen zu Tage treten, 
darum muß der Richter beides, überhaupt das ganze Verfahren des Wucherers im 
Zusammenhang prüfen. Als Anzeichen eines unerlaubten Geschäftes erscheinen unter 
Andern (vgl. auch v. Stein, S. 154 ff.): die Festsetzung augenscheinlich unerschwing- 
licher Konventionalstrafen für den Fall der Nichtzahlung, welche gar nicht im Ernste 
beigetrieben, sondern nur als Mittel dienen sollen, den Schuldner in dauernder 
Abhängigkeit zu erhalten. Ferner die Verschreibung von Pfandobjekten, deren reeller 
Werth das Darlehn selbst weit übersteigt, kurz alle Manipulationen, aus denen 
hervorgeht, daß der Gläubiger nicht einen bestimmten Vortheil erzielen, sondern sich 
auf Kosten des Schuldners in vorher nicht genau bestimmbarer Weise bereichern 
will. Dahin gehört namentlich auch die hypothekarische Belastung des Grundbesitzes 
für lediglich rechnungsmäßig erwachsene Schulden, bei welcher es dem Ermessen des 
Gläubigers überlassen bleibt, ob er es vorzieht, sich das fragliche Grundstück anzu- 
eignen, indem er auf Versteigerung anträgt, oder den ursprünglichen Besitzer darauf 
zu belassen, um die Früchte seiner harten Arbeit mühelos zu ernten. 
Daß zu so unvortheilhaften Geschäften sich Niemand entschließt, der ihre Trag- 
weite würdigen kann, wenn er sich nicht in einer Zwangslage befindet, liegt auf der 
Hand, und es ist im Grunde nur ein selbstverständliches Korrelat, wenn das Gesetz 
die Ausbeutung der Nothlage, des Leichtfinns oder der Unerfahrenheit als That- 
bestandsmomente des Wldeliktes hinstellt. Auf den Ausdruck „Ausbeutung“ darf 
man, trotz der entgegengesetzten Ansicht des Kommissionsberichtes (vgl. v. Schwarze, 
S. 43), kein besonderes Gewicht legen, denn zwischen Ausbeutung und Benutzung be- 
steht nur der Unterschied, daß ersteres die Benutzung zum eigenen Vortheil bedeutet 
 
	        
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