1860 Wucher.
Netz des Wucherers hineingezogen werde, so daß schließlich zur Rettung seiner gesell-
schaftlichen Stellung und der Familienehre die Verwandten sich veranlaßt fänden,
das Vermögen der Familie zu opfern, und daß durch dieses Opfer der Wohlstand
und die Stellung der einzelnen Familienmitglieder vernichtet werde.“ (Bericht der
XII. Kommission, vgl. v. Schwarze, S. 47.) Man hätte dies höchst verwerf-
liche Treiben eventuell als ein eigenthümliches Delikt behandeln können, W. ist es
an sich nicht. Derselbe beginnt erst mit dem Ausbedingen übermäßiger Vortheile,
welches wol erst dann stattfindet, wenn die ursprünglich zu mäßigen Bedingungen
vorgestreckte Summe nicht zurückgezahlt werden kann. In dem Augenublick aber be-
findet sich der Schuldner in einer Nothlage, welche die Anwendung des W pesetzes
ohnehin ermöglicht. — Umsomehr bedarf die Unerfahrenheit, d. h. der Mangel an
Einsicht in die Bedeutung uud Tragweite des Geschäfts, das Fehlen der Geschäfts-
kenntniß (vgl. Urtheil des Reichsger. — Entsch. III. S. 176), des Schutzes, be-
sonders da die wucherlichen Vortheile oft eine harmlose Form annehmen, anscheinend
kleine Beträge darstellen u. s. w., so daß der geschäftlich ungewandte, im Berechnen
von Zinsbeträgen ungeübte Schuldner häufig mehr verspricht, als er ahnt. Doch
kommt es im einzelnen Falle nicht darauf an, ob der wirkliche Inhalt des Geschäfts
leicht oder schwer zu erkennen war, sondern darauf, ob der Schuldner ihn faktisch
erkannt hat oder nicht.
Natürlich muß der Gläubiger, welcher wegen W. bestraft werden soll, gewußt
haben, sowol daß die ausbedungenen Vortheile übermäßig sind, als daß Noth,
Leichtsinn oder Unerfahrenheit den Schuldner zur Gewährung derfelben veranlaßte.
Eine ausdrückliche Feststellung durch den Richter braucht jedoch nur dann zu er-
folgen, wenn der Angeklagte bestreitet den erforderlichen dolus gehabt zu haben.
Vollendet wird das Vergehen, dessen Versuch nicht strafbar ist, dadurch, daß
der Gläubiger für sich oder einen Dritten die Vermögensvortheile oder das Ver-
sprechen derselben angenommen hat. Das Versprechen und das Gewähren derselben
find auf gleiche Stufe gestellt, eben darum aber kommt es für die Strafbarkeit nicht
in Betracht, ob dem Versprechen die wirkliche Gewährung nachfolgte oder nicht.
Darum erscheinen die einzelnen Zinszahlungen nicht als selbständige Delikte, welche
eine neue Verurtheilung herbeiführen könnten. Eine solche verstieße gegen den Rechts-
grundsatz non bis in idem, denn es mußten von vorneherein die einzelnen Zahlungs-
akte nicht als vereinzelte Thatsachen, sondern als Theile eines Ganzen ins Auge
gefaßt werden, um das Vorhandensein von W. festzustellen. Vorausgesetzt ist dabei
natürlich, daß sich die mehrfachen Gewährungen nur als Ausführung des einmal
gegebenen Versprechens darstellen. Sobald in Folge eines neuen Uebereinkommens
Etwas gewährt wird, liegt ein neues Delikt vor, z. B. bei einer neuen Prolonga-
tion eines ohnehin schon wucherlichen Vertrages. — Dasselbe gilt auch bei der Ver-
jährung, dessen Lauf bezüglich des W delikts nicht durch jede einzelne Leistung un-
terbrochen wird. Anderer Ansicht ist v. Schwarze (S. 69 ff.), „denn die An-
nahme des Versprechens wie die der Zahlung sind wucherische Handlungen, und
zwar sowol in ihrer Verbindung, als auch für sich allein; jedoch stehen sie zu ein-
ander im Fortsetzungsnexus“. Dagegen läßt sich wol einwenden, daß die strafbare
Handlung mit der Annahme des Versprechens beendet ist und also auch bezüglich
der Verjährung selbständig behandelt werden muß, so daß die später wirklich ge-
leisteten Zahlungen nur als besondere Delikte oder gar nicht in Frage kommen. —
Ebenso können bezüglich des Beweises der Gewerbs= und Gewohnheitsmäßigkeit nur
die verschiedenen wenn auch mit derselben Person abgeschlossenen W h.geschäfte, nicht
schon die mehrfachen Zinszahlungen auf Grund eines und desselben Geschäftes in
Betracht kommen. So auch das Preußische O. Trib. auf Grund des § 263 des
Preuß. Straf GB., vgl. Goltdammer, Archiv Bd. VIII. S. 567.
In Betreff der Theilnahme kommen die allgemeinen Grundsätze zur Anwen-
dung, selbst dann wenn das Verhalten der Helfershelfer des Wucherers, diesem die