1364 Wucher.
Bestimmung, die sich mit der Nichtigkeit des ganzen Vertrages nur schwer in Ein-
klang bringen läßt (vgl. v. Kübel, S. 164 ff.) und entgegen dem sonst vom
Gesetze zur Schau getragenen odium foeneratorum in den Motiven nur durch Hin-
weis auf allgemeine Billigkeitsgründe gerechtfertigt wird. — Wenn von Seiten des
Gläubigers nicht baares Geld, sondern andere Leistungen zurückzugewähren sind, so
richtet sich seine Verpflichtung bezüglich der Erstattung von Früchten, Ersatz für
Verschlechterungen, Haftung im Fall des Verbrauchs, der Veräußerung, des Unter-
gangs der empfangenen Sache u. s. w. nach den allgemeinen gesetzlichen Bestim-
mungen. Er ist dabei stets als malae fidei possessor zu behandeln. — Daß die-
jenigen, welche sich des W. schuldig gemacht haben, d. h. die Mitthäter, nicht auch
die Anstifter, Gehülfen 2c. dem Schuldner solidarisch haften, ist nur den in allen
Rechtssystemen übereinstimmenden Grundsätzen über die obligatio ex delicto ent-
sprechend. Jedoch erstreckt sich die Haftung desjenigen, welcher die wucherliche For-
derung mit Kenntniß des Sachverhaltes erwarb, nur auf diejenigen Vortheile, die
seit seiner Succession in die Rechte des frühern Kontrahenten an ihn oder seinen
Rechtsnachfolger gezahlt worden sind. — Bezüglich des gutgläubigen dritten Er-
werbers entscheiden die bestehenden gesetzlichen Vorschriften. Es kann also, abgesehen
von den Fällen, wo wegen der formalen Natur der betreffenden Verträge Einreden
aus dem Ursprung des Geschäftes gesetzlich unzulässig sind, z. B. bei Wechseln,
Hypotheken u. s. w., ihm ebenso wie dem ersten Kontrahenten gegenüber die Nich-
tigkeit des Vertrages geltend gemacht werden. Andererseits steht ihm neben dem
Regreß an seinen Rechtsvorgänger auch die Rückforderung gegen den Schuldner in
demselben Umfange wie jenem zu. — Das Recht der Rückforderung verjährt in 5
Jahren seit dem Tage, an welchem die Leistung erfolgt ist. Für jede einzelne
Leistung läuft die Verjährungsfrist besonders, denn für das Civilrecht kommt nicht
wie für das Strafrecht das W. geschäft als Ganzes ausschließlich in Betracht, son-
dern jeder einzelne Leistungsakt ist ein Rechtsgeschäft für sich und begründet ein
selbständiges, darum auch selbständig verjährendes Rückforderungsrecht. Uebrigens
wird die Einrede des W. dem ganzen Geschäfte gegenüber nicht dadurch ausgeschlossen,
daß einzelne auf Grund desselben gemachte Leistungen nicht mehr rückforderbar sind.
Bezüglich der Beurtheilung des fraglichen Geschäftes ist der Civilrichter vom Kri-
minalrichter und dieser von jenem vollständig unabhängig, wie das nach den all-
gemeinen Grundsätzen über das Verhältniß von Civil= und Kriminalurtheil sich von
selbst versteht. Ein Antrag, welcher darauf abzielte, daß zunächst der Strafrichter
über die Existenz des Vergehens zu entscheiden berufen und die Entscheidung desselben
für den Civilrichter bindend sei, wurde im Reichstag abgelehnt.
Die mehrfach ausgeworfene Frage, ob das Wuchergesetz rückwirkende Kraft habe,
ist entschieden zu verneinen. Bezüglich der Art. 1 und 2 besteht darüber kaum ein
Zweifel, § 2 des Rötraf GB. ist hier unbestritten maßgebend (vgl. Urtheil des
Reichsgerichts vom 26. April 1881 — Entscheidungen IV. S. 111, Rechtspr. III.
S. 247). Bedenklich könnten nur die Fälle scheinen, in denen nach dem 14. Juni
1880 auf Grund eines früher abgeschlossenen Vertrages Vortheile in Empfang ge-
nommen wurden, welche in ihrer Gesammtheit betrachtet für wucherlich erklärt wer-
den müßten. Auch hier liegt eine strafbare Handlung nicht vor, denn das Ge-
währen ist nur die Ausführung eines Vertrages, auf den das Gesetz keine Anwen-
dung findet (vgl. Urtheil des Reichsger. vom 25. Mai 1881 — Entscheidungen IV.
S. 203, Rechtsprechung III. S. 322). Ebensowenig liegt strafbarer W. vor, wenn
Jemand ein vor dem 14. Juni 1880 gemachtes wucherliches Darlehn nach diesem
Zeitpunkt zurückfordert und nimmt. So Urtheil des Reichsgerichts vom 26. April
1881 — Entscheidungen IV. S. 109, Rechtsprechung III. S. 235. Weitere wucher-
liche Stundungen eines früher gegebenen wucherlichen oder nicht wucherlichen Dar-
lehns müssen natürlich als selbständige Delikte behandelt werden. Bezüglich des
§ 302c sind folgende Fälle zu unterscheiden: a) wer eine vor dem 14. Juni 1880