Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

Zeugenbeweis. 1383 
dern entweder Beweis eines, vielleicht als Indiz in Betracht kommenden, Zeugnisses, 
sofern die Mittheilung durch andere, von der Person des Wahrnehmenden verschie- 
dene, Personen erfolgt; oder Urkundenbeweis, sofern die Mittheilung schriftlich ge- 
schieht (cef. insbesondere §§ 3880, 383, 646 der Deutschen CPO.). Der 8. 
erfordert demnach einen Zeugen als Beweismittel und ein Zeugniß als Beweis- 
grund. — Außer als Beweismittel können Zeugen im Prozeß auch als Erforderniß 
zur Gültigkeit prozessualer Handlungen, d. h. als Solennitätszeugen, erscheinen, vol. 
z. B. § 679 der Deutschen CPO. — Was gehört nun zum Begriff eines Beweis- 
zeugen Das Gemeine Recht definirte das Zeugniß im technischen Sinne gewöhn- 
lich als „die Aussage eines beim Ausgang des anhängigen Prezesses nicht bethei- 
ligten Dritten über die Wahrheit einer von ihm wahrgenommenen streitigen That- 
sache.“ Es unterschied dann unfähige oder untüchtige Zeugen (testes inbabiles), 
welche zum Zeugniß überhaupt nicht zugelassen, und unglaubwürdige oder verdäch- 
tige Zeugen (testes suspecti), die zwar vernommen werden, deren Beweiskraft aber 
vermindert sein solle. Beiden Kategorien gegenüber stand der sog. klassische Zeuge 
(testis omni exceptione major). Innerhalb der unfähigen Zeugen aber unterschied 
man wieder einmal absolut und relativ unfähige, je nachdem der Unfähigkeits- 
grund ein allgemeiner, oder ein nur den konkreten Prozeß betreffender; sodann 
natürlich und juristisch unfähige (omnes testes esse possunt, qui natura non im- 
pediuntur, nec lege prohibentur), je nachdem der Unfähigkeitsgrund ein im Begriff 
des Zeugen liegender oder positiv gesetzlicher war. Innerhalb der unglaubwürdigen 
Zeugen endlich unterschied man solche, welchen die gesetzlich verlangten Garantien 
der Glaubwürdigkeit (eidliche Aussage; gerichtliche Aussage; Uebereinstimmung 
mit der Aussage eines anderen unverdächtigen Zeugen), abgingen, und solche, 
gegen welche positive Gründe der Unglaubwürdigkeit vorlagen, welche vom Probaten 
in Gestalt von Beweiseinreden geltend zu machen waren (testes suspecti im engeren 
Sinne). — Allein nicht nur nicht hinsichtlich der praktischen Bedeutung dieser Ein- 
theilung, sondern auch nicht hinsichtlich der Abgrenzung ihrer einzelnen Glieder 
gegeneinander und endlich nicht einmal hinsichtlich des Begriffes herrschte im Gem. 
Prozeß Uebereinstimmung. Es war einerseits bestritten, ob unfähige Zeugen ex 
oflücio zu verwerfen seien; Mevius lehrte: Nulla facta exceptione judex indiscri- 
minatim nominatos admittit; und noch Gesterding (IV. 1, 224 Nr. 18) scheint 
sich dieser Ansicht zuzuneigen. Andererseits fehlte es nicht an Vertretern der Mei- 
nung, daß auch bloße Verdachtsgründe, selbst abgesehen von den aus dem Inhalt 
der Aussage selbst sich ergebenden, ex ofticio geltend zu machen seien (Gesterding, 
IV. 2, 94; Schmid, II. § 134 N. 27). — Es hat ferner Bayer (§ 246) die 
Bezeichnung „unfähige Zeugen“ beschränkt auf solche, welche die Wahrheit nicht 
sagen können, d. h. auf die „natürlich unfähigen“ der herrschenden gemeinrecht- 
lichen Doktrin; alle anderen dagegen, namentlich also auch die „juristisch unfähigen“ 
lediglich als verdächtige Zeugen, d. h. als solche, von welchen es zweifelhaft ist, 
ob sie die Wahrheit sagen werden, gelten lassen. — Erklären sich diese Differenzen 
hinlänglich aus der unsicheren gesetzlichen Grundlage der ganzen Eintheilung in un- 
fähige und verdächtige Zeugen (vgl. Langenbeck, S. 485 N. b.; Groß, II. S. 
11 N. 26); so resfultiren hinwiederum die Schwankungen hinsichtlich des Begriffes 
aus dem mehr oder weniger vermiedenen Fehler, durch die gesetzlichen Beweisregeln 
des gemeinen Prozesses den Begriff des Beweismittels selbst influiren zu lassen 
(wogegen zu vgl. Wetzell, § 21 zu N. 1). Auf solcher Verquickung beruht es, 
wenn man z. B. lehrte, zum Begriff des Zeugen gehöre die Leistung des Zeugen- 
eides, unbeeidigt Vernommene seien nur Auskunftspersonen, nie Zeugen (z. B. 
Hannov. Prot. 2145; 2164 unten; 5697; Endemann, Deutsches Civ. Prz.R., 8190 
sub III.; Kommentar, II. S. 202 N. 5); während es doch feststeht, daß es lange 
Zeugen gab, ehe noch ein Zeugeneid existirte, und daß Zeugen, welche in Folge 
Verzichts der Parteien auf die Beeidigung unbeeidigt vernommen werden (c. 39 X.
	        
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