Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1386 Zeugenbeweis. 
beschränken sich sogar darauf, die Stellung von Generalfragen über solche Umstände, 
welche die Glaubwürdigkeit des Zeugen in der vorliegenden Sache betreffen, gänz- 
lich dem Ermessen des Gerichts anheimzugeben, während solche interrogatoria gene- 
ralia, wie nach Gemeinem Recht die Parteien, so später die Gesetze und Entwürfe 
(es. die in den Motiven zu §§ 345—349 der Deutschen CPO. S. 495 citirten) 
dem Richter aufnöthigten. Die Würdigung der üides testium aber unterliegt dann 
vollkommen unbeschränkt dem Grundsatze des § 259 der Deutschen CPO. (§ 297 
des Oesterr. Entw.), wobei den Richter die Resultate der gemeinrechtlichen Theorie, 
die Anweisung, die Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu prüfen nach seiner Persönlich= 
keit, seinem Verhältniß zur Sache, seinem Verhältniß zu den Parteien und nach der 
Art seiner Aussage (Gesterding, IV. 2 S. 85; Langenbeck, S. 486); sowie 
die Exemplifikation der einzelnen Verdachtsgründe G. B. Wetzell, § 23 nach N. 
32) als „goldene Erfahrungssätze“ leiten werden. 
IV. Den Gegenstand des 3. kann an sich Alles bilden, was Gegenstand 
des Beweises überhaupt sein kann. Also: äußere Thatsachen nicht blos, sondern 
auch innere, wie Gefühle und Empfindungen, Zwecke und Motive (Gesterding, 
I. S. 163); negative Thatsachen ferner, wie positive, während man einst unter der 
Motivirung vnon entia non cadunt in sensus corporeos die verneinenden Zeugen 
verwersen zu müssen glaubte; weiter eigene wie fremde Handlungen (Langenbeck, 
S. 443); endlich nicht nur die unmittelbar relevanten streitigen Thatsachen, sondern 
auch Indizien. Letzteres verkannte das Gemeine Recht (und verkennt noch Fit- 
ting, § 45 in.), wenn es das Zeugniß vom Hörensagen, testimonium de auditu, 
als gänzlich beweisuntauglich hinstellte, und höchstens eine Ausnahme zuließ in an- 
tiquis: beim Beweis einer Gewohnheit, eines unvordenklichen Besitzes u. s. w. Das 
t. de auditu beweist das Hören und soll nur dies beweisen; hiermit aber kann 
unter Umständen ein wichtiges Indiz für das eigentliche Beweisthema erbracht sein 
(Langenbeck, S. 445, 487; Heusler, I. c. S. 254, 274 ff.). 
Eine konsequente Durchführung des Prinzips der freien richterlichen Beweis- 
würdigung verbietet die Beschränkung dieses Z.themas, wie sie bekanntlich das 
Französische Recht, folgend Italischen Statuten (Mittermaier, S. 83), aufgestellt 
hat. Z. ist nach art. 1341 des Code civil ausgeschlossen in Prozessen, deren Streit- 
gegenstand den Werth von 150 Francs übersteigt; ferner gegen den Inhalt voll- 
beweisender Urkunden und über Verabredungen, welche bei oder vor der Errichtung 
solcher Urkunden stattgefunden haben sollen. Die art. 1347 und 1348 statuiren 
einige Ausnahmen. Nachdem man einst auch in Frankreich — so erzählt Boi- 
tard, § 469 p. 429, die Geschichte dieser Normen — wie überall, wo das Recht 
noch in der Wiege liegt, der Ansicht gewesen war: Témoignages de vive voix dée- 
passent lettres, sei man später durch Erfahrung klug geworden und zu der um- 
gekehrten Maxime gelangt: Lettres passent témoins. Dieser veränderten Anschauung 
habe zuerst die Ordonnance de Moulins von 1566 Ausdruck gegeben (dieselbe, welche 
anfänglich in Frankreich selbst mit Murren aufgenommen, später von Boncenne 
als le triomphe de la civilisation sur la barbarie bezeichnet wurde): die Ordonnanz 
von 1667 habe hierauf die Strenge der neuen Maxime durch einige Ausnahmen 
gemildert; und Regel und Ausnahmen seien dann in die oben citirten Artikel des 
Code civil übergegangen. Noch die Hannoversche Kommission wollte, unter Hinweis 
auf die günstigen Erfahrungen, welche man mit dieser Beschränkung des Z. in 
Frankreich, Holland, Belgien, Genf, Italien, Griechenland und England (Protokolle, 
S. 2251, 2290, aber auch 2298), besonders aber in den Deutschen Rheinprovinzen 
gemacht habe, die Statuirung ähnlicher Beschränkungen der Landesgesetzgebung über- 
lassen, ausgehend davon, daß sie mehr eivilrechtlicher als prozessualer Natur seien 
G 310 des Entw.; bgl. Prot., 2152 ff.; 2227; 2251—2300; 5707; 5988). 
„Der Zug der Zeit" — behauptete man dabei — „gehe auf eine Beschränkung des
	        
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