Zeugenbeweis. 1407
nicht. Wo also neben den staatlich anerkannten Kirchen andere bestehen, die nicht
verboten sind, wird die Stellung ihrer Geistlichen ebenso berücksichtigt werden
müssen, wie wenn es sich um im Auslande vorgenommene geistliche Verrichtungen
handelt; die Beweisfrage wird natürlich in beiden Fällen manchmal Schwierigkeiten
machen und der Würdigung des Gerichts unterliegen, während sie in den anderen
durch die staatliche Anerkennung entschieden ist.
b) Rechtsanwälte und Aerzte sind bezüglich alles dessen befreit, was ihnen von
wem immer „bei Ausübung“ ihres Berufes anvertraut wurde. Das ist aber doch
nur auf das zum Zweck der Ausübung vorsätzlich Mitgetheilte, nicht auf gelegentlich
der Ausübung gemachte Wahrnehmungen zu beziehen; die Scheidelinie freilich ist
oft eine kaum wahrnehmbare. Der Zweck des Gesetzes ist nur, zu erreichen, daß
man sich mit Beruhigung den gedachten Personen anvertrauen könne; und nur was
diesen Zweck beeinträchtigen würde, fällt unter das Privilegium. Stellvertreter der
Anwälte u. s. w., die selbst unter den gleichen Begriff fallen, sind zur Zeugniß-
verweigerung auch dann berechtigt, wenn ihnen etwas zum Zweck der Uebermittelung
an ihren Chef anvertraut wurde; und ebenso ist es letzterer bezüglich des so ver-
mittelten „Anvertrauens“. Dagegen ist Hülfspersonal anderer Art (Schreiber, Kanzlei-
beamte u. dgl.) nicht in die Befreiung eingeschlossen; gewiß nicht dem Wortlaut
nach, aber auch nicht unbedingt vermöge des Zweckes des Gesetzes, weil die Mit-
theilung an solche Personen vermuthen läßt, daß ein Bedürfniß der Geheimhaltung
nicht empfunden wurde und daß sie daher auch nicht nur im Vertrauen auf berufs-
mäßige Verschwiegenheit gemacht wurde (anderer Meinung: v. Schwarze). Es kommt
dazu, daß bei Aufnahme der Bestimmung der Deutschen StrafP O. § 52 Z. 3 die
Absicht unverkennbar obwaltete, sie auf Personen von einer höheren Lebensstellung, die
einige Gewähr gegen Mißbrauch bietet, einzuschränken, weil sonst die Nichterwähnung
der Hebammen ganz unerklärlich wäre.
c) Trotz der Erwähnung der Rechtsanwälte mußten die Vertheidiger be-
sonders hervorgehoben werden, da diese nicht immer dem Kreise der ersteren an-
gehören. Es ist nun durchaus kein Grund denkbar, warum das Privilegium solcher
Vertheidiger ein beschränkteres sein sollte, als das der Rechtsanwälte; wenn daher
auch der Wortlaut „Vertheidiger des Beschuldigten“ darauf hinzudeuten scheint, daß
dasselbe nur in der Straffsache Geltung hat, in welchem Derjenige als Beschuldigter
erscheint, in dessen Interesse dem Vertheidiger die Mittheilung gemacht wurde, so
nöthigt doch die Vermuthung innerer Konsequenz des Gesetzes, von welcher der Aus-
leger auszugehen hat, anzunehmen, daß die Befreiung für alle Mittheilungen gelte,
welche einem Vertheidiger in dieser seiner Eigenschaft, gleichviel ob es sich um die
Vertheidigung des heutigen Beschuldigten oder eines Anderen handelte, gemacht
wurde. Anders nach Oesterreichischem Recht, welches ein Privilegium der Rechts-
anwälte als solcher nicht kennt und das der Vertheidiger auf dasjenige beschränkt,
„was ihnen in dieser Eigenschaft von dem Beschuldigten anvertraut worden
ist". In dem Prozeß gegen einen bestimmten Beschuldigten sind daher nur dessen
Mittheilungen an einen Vertheidiger geschützt. Es ist dagegen gleichgültig, ob der
berufsmäßige Vertheidiger als solcher auch in der gegenwärtigen Strafsache ein-
schreitet; genug, daß ihm die Mittheilung von dem heute Beschuldigten gemacht
wurde, weil er Vertheidiger ist; ob er zu der Zeit der bestellte Vertheidiger
des Beschuldigten war, darauf kommt es nicht an; es kann die Mittheilung auch
aus Anlaß von Verhandlungen über die Uebernahme einer eventuellen Vertheidigung
oder eines Rathes, der noch vor Einleitung einer Strafverhandlung erbeten wurde
(z. B. weil der spätere Beschuldigte als Zeuge über den Gegenstand der späteren
Anklage gegen ihn vorgeladen wurde), gemacht worden sein. Zu dem gleichen
Resultat führt auch nach der Deutschen StrafP O. die oben hervorgehobene Konsequenz
der Z. 3 des § 52 (anderer Meinung: v. Schwarze).