Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1408 Zeugenbeweis. 
d) Nach der Deutschen StrafP O. haben alle hier genannte Personen das 
Recht, das Zeugniß zu verweigern, und sie haben es mit Ausnahme der Geistlichen 
nur so lange als sie nicht „von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden 
sind“. Es handelt sich also nur scheinbar um ihr Recht; es ist vielmehr ein fremdes 
Recht, welches so wie unter den Schutz ihrer berufsmäßigen Verschwiegenheit auch 
unter den ihres Taktes und ihrer fachmännischen Beurtheilung gestellt ist. In erster 
Linie hat also der Zeuge zu beurtheilen, ob er durch Beantwortung einer an ihn 
gerichteten Frage seiner Berufspflicht gegenüber Demjenigen, dessen Geheimniß er zu 
bewahren hat, verletzt. Glaubt er dies nicht, so hat Niemand ein Recht, ihn von 
der Aussage abzuhalten; im entgegengesetzten Falle wird allerdings auch das Gericht 
sich die Ueberzeugung verschaffen können, ob die Voraussetzungen der gesetzlichen 
Befreiung vorhanden seien; allein auch die hierauf gerichteten Fragen zu beantworten, 
kann der Zeuge verweigern, sobald er hierdurch in Gefahr käme, durchblicken zu lassen, 
was er zu verschweigen berechtigt ist. Dies ändert sich durch die Entbindung 
vom Geheimniß. Diese kann offenbar nur von Demjenigen ausgehen, welchem 
gegenüber der Zeuge gebunden ist; es ist dies keineswegs immer der Beschuldigte, 
sondern der Regel nach Derjenige, welcher den Zeugen in Ausübung seines Berufes 
um Rath und Beistand anging und zu diesem Zwecke ihm vertrauliche Mittheilungen 
machte oder zuführte, gleichviel ob er dies mittelbar oder unmittelbar that, z. B. 
ihm etwas durch einen Dritten sagen ließ. Mit einem Worte: Derjenige kann auf 
die Berufsverschwiegenheit verzichten, welcher an den Zeugen als an eine Person 
seines Vertrauens sich gewendet, seine Dienste in Anspruch genommen hat. 
e) Bei Berathung der StrafP O. war von der Reichstagskommission eine Be- 
stimmung vorgeschlagen worden, welche, wenn auch nicht ausgesprochenermaßen, doch 
ihrem eigentlichen Grunde nach ein Privilegium für das der Berufsverschwiegenheit 
der Redakteure, Verleger und Drucker anvertraute Geheimniß der Verfasser, 
Herausgeber oder Einsender eines anonymen Preßerzeugnisses begründet hätte. Diese 
Bestimmung ward schließlich fallen gelassen, und die Sache ist jetzt unter den aller- 
dings auch in dem Vorschlage selbst vorangestellten Gesichtspunkt zu bringen, in- 
wiefern die erstgedachten Personen wegen der sie selbst treffenden Verantwortlichkeit 
eine Ausnahmsstellung beanspruchen können (vgl. hierüber — außer der Literatur, die 
schon vor der StrafPO. auf Grund des Reichspreßgesetzes angewachsen war, jetzt 
am vollständigsten zusammengestellt in Geyer's Lehrbuch, S. 529 Anm. 6 — 
Heinze, Strafproz. Erörterungen, S. 112 ff.; v. Schwarze, StrafP O., S. 183 ff. 
und S. 189—190; Löwe, S. 944 ff. (2. Aufl. S. 778 ff.); Keller, bei § 56 der 
Strafs- O. N. 6; Bomhard, bei § 53 N. 5 u. § 56 N. 6; Puchelt, bei § 52 N. 2 
u. bei § 56 Nr. 7). Danach kommt es auf folgende Gesichtspunkte an: Die gedachten 
Personen können geltend machen, daß sie in der Sache selbst Beschuldigte seien; 
hier sind also die oben unter 1 bezeichneten Rücksichten maßgebend; es kann dies 
am ehesten beim Redakteur vermöge der ihn treffenden Vermuthung der Thäterschaft 
20 des Preßgesetzes) der Fall sein. Seine eigene Erklärung kann aber an der 
Beurtheilung des Falles nichts ändern, weil ja überhaupt kein Schuldbekenntniß 
für sich allein entscheidet. Die Berufung auf § 54 der StrafP O. wird in der 
Regel wenig fruchten, weil die Antwort gewöhnlich nicht für den Zeugen, sondern 
für Dritte gefährdend sein wird. Vielmehr werden regelmäßig alle gedachten Personen 
nach § 56 Z. 3 der StrafP O. als verdächtige Zeugen unbeeidigt zu vernehmen 
sein; darauf weisen auch die Regierungsmotive (S. 46) hin, wobei nur nicht zu 
begreifen, wie dieselben erklären konnten, daß vermöge der gerade hierdurch konstatirten, 
wenn auch beschränkten Zeugnißpflicht derselbe Zweck erreicht werde, wie durch die 
Bestimmungen solcher Gesetze, welche, wie Art. 143 der Württ. Straf P O., das Recht 
zur Verweigerung des Zeugnisses ertheilen. —.Nach Oesterr. Recht besteht ebenfalls 
kein Privilegium aus dem Gesichtspunkte der Wahrung des berufsmäßigen Ge- 
heimnisses, immerhin aber kann im gegebenen Falle auf Grund des § 153 der
	        
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