Zeugenbeweis. 1411
Auf diesen Ausnahmsfall muß es wol auch bezogen werden, wenn v. Schwarze
bezüglich des Ehegatten des Beschuldigten sagt: „Es ist gleichgültig, ob die Lösung.
der Ehe durch Tod oder Scheidung erfolgt“. Unbedingt gilt dies übrigens von
dem Schwägerschaftsverhältniß. (Nach Oesterr. Recht kommt die im § 153 der
StrasP O. vorgesehene, unten näher zu besprechende bedingte Befreiung, wegen Gefahr
der Schande, auch den Angehörigen eines Verstorbenen zu statten.)
D. In engem Zusammenhange mit der Befreiung von der Zeugenaussage in
einem Strafprozeß, in welchem ein Angehöriger des Zeugen als Beschuldigter er-
scheint, steht das Recht jedes Zeugen, die Antwort auf Fragen zu verweigern,
deren Beantwortung einem Angehörigen im oben bezeichneten Sinne oder ihm selbst
die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung zuziehen würde (§ 54 der Deutsch. Straf P O.).
Der Ausdruck „strafgerichtliche Verfolgung“ wurde eigens angewendet, um die Be-
rücksichtigung der Gefahr einer Disziplinaruntersuchung auszuschließen. Nach § 153
der Oesterr. StrafP O. soll der Zeuge „nur in besonders wichtigen Fällen“ zur Aus-
sage verhalten werden, „wenn die Ablegung des Zeugnisses oder die Beantwortung
einer Frage für den Zeugen einen unmittelbaren und bedeutenden Vermögensnach-
theil nach sich ziehen oder ihm selbst oder einem seiner Angehörigen Schande bringen
würde"“. Die Vergleichung ergiebt, daß hier einerseits ein weiterer Kreis von Motiven
zur Verweigerung der Aussage berücksichtigt, andererseits aber dem Zeugen kein ab-
solutes Recht gewährt, sondern der Richter in die Lage gebracht ist, das Gewicht
der Abhaltungsgründe in die eine Wagschale zu legen und in die andere das der
an die Aussage im konkreten Falle geknüpften Interessen. Das Deutsche Gesetz legt
das Gewicht auf die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung, nicht auf die
Schande. Auch die geringfügigste Uebertretung genügt hierzu, so lange nicht durch
Tod, Verjährung, res judicata u. s. w. die Verfolgung ausgeschlossen ist.
E. Als eine partielle Befreiung von der Zeugnißpflicht ist das Recht der An-
gehörigen des Beschuldigten, die Beeidigung ihres Zeugnisses „auch nach ihrer
Vernehmung“ zu verweigern, anzusehen (§ 57 der Deutsch. StrafP# O.). Diesem Recht
steht aber, wie oben unter III. bemerkt wurde, andererseits die aus der verdächtigen
Beschaffenheit solcher Zeugnisse abgeleitete Bestimmung gegenüber, daß die Beeidigung
vom richterlichen Ermessen abhänge. Aus dem Ineinandergreifen beider Bestimmungen
folgt, daß die Beeidigung bis nach der Vernehmung ausgesetzt werden kann und wol
auch soll. Das Mißliche, das darin liegt, eine wichtige Gewähr der Richtigkeit der
Aussage nach zwei Seiten hin der Ungewißheit preiszugeben, zeigt sich, wenn die
Fälle erwogen werden, wo das Zeugniß eine große Wichtigkeit hat, der Angehörige
ein wahrer Belastungszeuge ist u. s. w. (Vgl. Löwe bei § 57 Nr. 1. Der da-
selbst erwähnte Fall einer Mehrheit von Mitbeschuldigten bedarf einer weiteren
Unterscheidung: das Recht der Eidesweigerung reicht keinesfalls weiter, als das der
Zeugnißverweigerung.) Wie schon erwähnt, werden nach der Oesterr. Straf PH.O. die
Angehörigen des Beschuldigten, sobald sie auf ihr Recht verzichtend aussagen, so be-
handelt, wie dies die Deutsche StrafP O. bezüglich der im § 52 erwähnten Zeugen
thut: sie sind vom Eid weder befreit, noch ausgeschlossen. Damit hängt es auch
zusammen, daß nach § 205 Abs. 2 der Oesterr. Straf P O. die Angehörigen des
Beschuldigten, die Gegenüberstellung mit diesem, wenn sie sich als Zeugen abhören
lassen, nur dann ablehnen können, wenn nicht der Beschuldigte selbst sie verlangt.
Nach Deutschem Recht kann dem Angehörigen des Beschuldigten keine Gegenüber-
stellung weder mit diesem noch mit anderen Zeugen aufgenöthigt werden, da sie
den Verzicht auf das Recht der Zeugnißverweigerung jederzeit widerrufen können.
Zu der partiellen Befreiung von der Zeugenpflicht gehört auch die gewissen
Beamten für einzelne Arten von Strafsachen zugestandene Befreiung vom Zeugeneide.
Auf Grund des § 3 des E. zur Deutschen StrafP# O. kann diese Befreiung die
Landesgesetzgebung für als Zeugen in Forst= und Feldrügefachen auftretende Forst-
oder Feldbeamte verfügen (Löwe zum angez. § Nr. 12). Nach der Oesterr. StrafP O.
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