1412 Zeugenbeweis.
(§ 453) sind im Verfahren wegen Uebertretungen „Beamte und beeidete Diener der
öffentlichen Gewalt, welche eine Aussage über Thatsachen oder Umstände ablegen,
welche sie in Ausübung ihres Amtes wahrgenommen haben, nur unter
Erinnerung an ihren Diensteid als Zeugen zu vernehmen“.
F. Ueber die prozessuale Gestaltung der Ausübung der vorstehend
behandelten Befreiungen von der Zeugnißpflicht ist Folgendes zu bemerken: Wo für
die Befreiung in erster Linie öffentliche Rücksichten sprechen, muß das Gericht von
selbst darauf Bedacht nehmen. Wo es sich um die Befreiung von der Pflicht, der
Ladung nachzukommen, bei Gericht zu erscheinen u. s. w. handelt, wird die Lösung
etwa auftauchender Zweifel der Regel nach auf Grund schriftlicher Mittheilungen
der Geladenen zu erfolgen baben Bezüglich der Fälle, wo es sich um die Wahrung
des Amtsgeheimnisses handelt (§ 53 der Deutschen StrafPm O.), ist oben schon das
Wichtigste besprochen. In den übrigen Fällen kommt in Betracht:
1) ob die Zeugen über das ihnen zukommende Recht zu belehren sind. Aus-
drücklich vorgeschrieben ist dies im § 52 Abs. 2 der Deutschen StrafP O. (bezüglich der
Angehörigen des Beschuldigten), und zwar mit dem Beisatz „vor jeder Vernehmung“,
offenbar vorsätzlich unterlassen bei § 52 (berufsmäßige Verschwiegenheit), weil hier
vorausgesetzt wird, daß der Zeuge vermöge seiner Stellung über sein Recht unter-
richtet und darauf vorbereitet ist, es auszuüben, woraus nicht folgt, daß es unter-
sagt sei, eine darauf abzielende Hinweisung zu machen, wenn Zweifel über das Zu-
treffen dieser Voraussetzungen sich ergeben. Wo es sich um die Anwendung des
§54 der Deutschen Straf Pp O. handelt, ist die Belehrung nicht vorgeschrieben; sie wird
auch in vielen Fällen ganz unmöglich, in anderen sehr mißlich sein, weil sie einen
bedenklich suggestiven Charakter annehmen kann. In anderen Fällen wird es da-
gegen ganz im Geiste des Gesetzes liegen, sie nicht zu unterlassen; das Gleiche gilt
auch bezüglich des Rechtes der Angehörigen des Beschuldigten, den Eid zu ver-
weigern. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß die Unterlassung der Be-
lehrung im Falle des § 51 der Deutschen StrafP O. eine ganz andere Wirkung
hat, als in den anderen Fällen.
2) Nach der Oesterr. StrafPm O. (6 152 letzter Absatz) ist der prozessuale Vor-
gang bei Vernehmung von Angehörigen des Beschuldigten so geregelt, daß der Richter
sie „vor ihrer Vernehmung oder doch sobald ihm das Verhältniß zu dem Beschul-
digten bekannt wird, über ihr Recht, sich des Zeugnisses zu entschlagen, zu belehren
und ihre darüber erfolgte Erklärung in das Protokoll aufzunehmen“ hat. „Hat
der Zeuge auf sein Recht .. richt ausdrücklich verzichtet, so ist seine Aussage
nichtig“. Die Folge hiervon ist insbesondere, daß die Verlesung des Protokolles in
der Hauptverhandlung, wenn sie nicht ohne Widerspruch erfolgt, oder die Ablegung
der Aussage in der Hauptverhandlung selbst, Nichtigkeit der Hauptverhandlung herbei-
führt (6 281 5.l 3 und 4). — Es ist somit „ausdrücklicher Verzicht“ des
Zeugen Bedingung der Verwendbarkeit seiner Aussage, ob die Vernehmung ohne
diesen Verzicht erfolgte, weil der Angehörige des Zeugen noch nicht Beschuldigter
war, weil das Verhältniß noch nicht erkannt war, oder weil der Richter regelwidrig
vorging, macht dabei keinen Unterschied. — Die Deutsche Straf PO. begnügt sich
mit einem stillschweigenden Verzicht, unter der Voraussetzung der voraus-
gegangenen Belehrung. Ist daher die „Belehrung unterblieben und das geforderte
Zeugniß abgelegt worden, so darf von der niedergeschriebenen Aussage ein weiterer
Gebrauch nicht gemacht werden" (Löwe); ebenso wird wol auch, wenn der Vorgang
in der Hauptverhandlung selbst sich zutrug, dies einen Revisionsgrund bilden. In
beiden Fällen kann es meines Erachtens aber nicht darauf ankommen, ob dem Richter
eine wissentliche oder fahrlässige Verletzung des Gesetzes zur Last fällt, sondern darauf,
ob das geschehen oder unterblieben ist, was das Gesetz vorschreibt. (Derselben An-
sicht: v. Schwarze; anderer Meinung: Löwe.)