Zeugnißzwang. 1423
und Koch, S. 324 N. 2; anderer Meinung Petersen, S. 188, der sie für
unzweifelhaft richtig erklärt, ebenso Hellmann, S. 231 ff.; Kleiner, S. 296
und v. Schwarze, S. 178 N. 9). Eine stets wiederholte Bestrafung ist
um so überflüssiger als der Richter das Erscheinen des Zeugen erzwingen kann.
Nach der richtigen Auffassung gestaltet sich das Verfahren so, daß der Richter
den renitenten Zeugen verurtheilt, dann ihn aufs Neue vorladet und, falls
er wiederum nicht erscheint, nochmals verurtheilt und dann entweder von dem
Erscheinen des Zeugen Abstand nehmen oder — was auch schon! früher hätte geschehen.
können — seine zwangsweise Vorführung anordnen muß. Auch im Fall des
wiederholten Ausbleibens ist die Verhängung der Strafe nicht fakultativ. Die
nicht ganz korrekte Fassung des Gesetzes erklärt sich daraus, daß § 345 der
CPO. ursprünglich eine Verdoppelung der Strafe und diese allerdings fakultativ
zuließ, bei den Kommissionsberathungen wurde der Inhalt geändert, die Form
aber in Folge eines Redaktionsversehens beibehalten (vgl. Struckmann und
Koch, S. 324 N. 2; Gaupp, S. 261; v. Sarwey, S. 504; Seuffert,
S. 411; Hellmann, S. 231). In § 50 der StrafP O. wählte man dann den-
selben Ausdruck, um Uebereinstimmung mit der CPO. zu erzielen. Trotzdem würde
der Wortlaut des Gesetzes entscheidend sein, wenn derselbe die Annahme ausschlösse,
daß Bestrafung stets erfolgen solle. Das ist aber keineswegs der Fall, denn eine
Strafe, die der Richter verhängen kann, muß er verhängen, wenn die Voraussetzungen
der Bestrafung gegeben sind. Uebrigens ist dem richterlichen Ermessen praktisch aus-
reichender Spielraum gegeben, indem es ihm überlassen bleibt zu entscheiden, ob der
Zeuge genügend entschuldigt ist oder nicht. — Wenn Löwe, S. 276 N. 7 (vgl. auch
die dort Citirten), und mit ihm Geyer, Lehrbuch S. 513, der früher anderer Ansicht
war (vgl. v. Holtzendorff's Handbuch, S. 271), und Puchelt, S. 122 N. 8, an-
nimmt, die Bestrafung könne sich in einem andern Stadium desselben Verfahrens noch
einmal wiederholen, so ist das wohl ein Irrthum (vgl. Dochow, Reichs-Strafprozeß,
S. 167), jedenfalls aber inkonsequent und nicht damit zu rechtfertigen, daß alsdann
ein neuer Ungehorsamsfall vorliege. Das ist nur in demselben Maße der Fall, als
wenn der Zeuge einer zum dritten Mal wiederholten Vorladung nicht gehorchte. Ein
Grund, diese beiden Fälle verschieden zu behandeln, liegt nicht vor. Anderer Mei-
nung Voitus, Kontroversen, II. 16 ff., der sich in ausführlicher Weise über die
Frage ausspricht und zu Gunsten der von Löwe vertretenen Ansicht entscheidet.
b) Als wirkliche Zwangsmaßregel ist die Vorführung des Zeugen zulässig: im
Strafprozeß von vorneherein, im Civilprozeß erst wenn die wiederholte Vor-
ladung erfolglos bleibt. Davon, ob die erste resp. zweite Strafe vollstreckt ist,
hängt die Zulässigkeit der zwangsweisen Vorführung nicht ab, wohl aber wird man
ein wiederholtes Ausbleiben erst dann annehmen dürfen, wenn nach vorgängiger
Verhängung der Strafe eine neue Ladung erfolglos geblieben ist. Es muß aber,
ehe zur Vorführung geschritten werden kann, die Strafe im Kriminalprozeß einmal,
im Civilprozeß zweimal ausgesprochen worden sein. Die Vorführung geschieht durch
die Polizeibehörde oder einen Gerichtsvollzieher. Eine bestimmte Form für den zu
erlassenden Vorführungsbefehl schreibt das Gesetz nicht vor, es würde also eventuell
ein mündlicher Befehl genügen, doch wird regelmäßig eine schriftliche Ertheilung
desselben zu erfolgen haben. Puchelt, S. 122 N. 7, hält den § 134 A. 2 der
StrafP O. für analog anwendbar.
2) Bezüglich der Zeugniß= oder Eidesverweigerung wich der Entwurf der
StrafP O. von dem der CPO insofern ab, als jener in §. 61 nur eine executio ad
laciendum durch Zwangshaft bis zu 6 Monaten (bei Uebertretungen 6 Wochen)
oder Geldstrafe bis zum Gesammtbetrage von 600 Mark (bei Uebertretungen 150
Mark) kannte. Die Reichsjustizkommission führte auch hier das doppelte System
mit Strafe und Zwang durch. Voraussetzung zur Anwendung derselben ist im
Strafprozesse, daß kein gesetzlich von der Zeugnißpflicht befreiender (vgl. 8#8