Zeugnißzwang. 1431
Vorsitz führt. Gegen das über den Einspruch ergehende Erkenntniß ist kein Rechts-
mittel zulässig (§ 243). — Verläßt der Zeuge ohne Erlaubniß des Vorsitzenden
das Gerichtslokal, so ist zwar ein Vorführungsbefehl, aber keine weitere Zwangs-
maßregel zulässig.
In Frankreich ist ebenfalls der Grundsatz anerkannt, daß jeder ordnungs-
mäßig geladene Zeuge seiner Zeugnißpflicht genügen muß, widrigenfalls er vom
Richter in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise dazu angehalten werden kann.
a) Im Civilprozeß bezieht sich der anzuwendende Z. sowol auf das
Nichterscheinen wie das Verweigern der Aussage oder des Eides. Freilich spricht
das Gesetz nur von témoins défaillants, doch wird ganz übereinstimmend angenommen,
daß darunter auch die Verweigerung der Aussage begriffen sei (vgl. Schlink, II.
S. 428; Gilbert, S. 196 N. 1). Die widerspenstigen Zeugen müssen zur Zahlung
einer bestimmten Summe, von mindestens 10 Francs, als Schadensersatz an die Partei
verurtheilt, und können außerdem mit einer Geldstrafe bis zu 100 Francs belegt
werden. Sie sind ferner auf ihre Kosten von neuem zu laden und, wenn sie wiederholt
ihrer Zeugenpflicht nicht genügen, nochmals zu einer Geldstrafe von 100 Francs zu
verurtheilen. Außerdem kann alsdann ein Vorführungsbesehl gegen sie erlassen
werden. Die früher zur Beitreibung der Geldstrafe zulässige Exekutivhaft (contrainte
par corps) ist durch Gesetz vom 22. Juli 1867 aufgehoben worden. Die betreffende
richterliche Anordnung (ordonnance), welche übrigens sofort vollstreckbar ist, kann
durch Opposition und Berufung angefochten werden. Wenn der Zeuge später nach-
weist, daß er verhindert war zu erscheinen, so kann ihn der Richter, nachdem er
seine Aussage abgegeben hat, noch nachträglich von Strafe und Kosten und selbst
von dem Schadensersatze an die Partei freisprechen (vgl. art. 263, 265 Code de
procédure civile).
b) Im Strafprozeß spricht art. 80 Code d’instruction criminelle den
maßgebenden Grundsatz aus, daß toute personne citée pour ötre entendue en
témoignage sera tenue de comparaitre et de satisfaire à la citation. Daß unter
den letzten Worten auch die Pflicht, Zeugniß abzulegen, verstanden sei, wird kaum
bezweifelt werden dürfen (vgl. in diesem Sinne Ortolan, II. S. 582, Faustin-
Hôlie, nr. 5000, welche die communis opinio aussprechen, aber auch Goltdammer,
Archiv Bd. X. S. 816 ff. und die dort mitgetheilten Gutachten). Die Nicht-
erfüllung dieser Pflicht zieht eine Geldstrafe von höchstens 100 Francs nach sich,
außerdem kann ein Vorführungsbefehl erlassen werden (vgl. art. 92). Das Gesetz
spricht zwar von contrainte par corps, doch ist darunter nach Annahme der Fran-
zösischen Jurisprudenz (vgl. Trébutien, II. S. 240) nicht Exekutivhaft, sondern
ein mandat d'amener zu verstehen. Anderer Meinung sind die Rheinpreußischen
Gerichte und das Obertribunal gewesen (vergl. Goltdammer, Archiv I. c. und
Erkenntniß vom 18. September 1873 — Oppenhoff, Rechtsprechung, Bd. 14
S. 547 ff.). Diese Maßregeln werden auf Antrag der Staatsanwaltschaft ange-
wendet durch den Untersuchungsrichter, art. 80, den Polizeirichter, art. 157, und
das Zuchtpolizeigericht (tribunaux en matière correctionelle), art. 189, welche jedoch
erst bei einem zweiten Ausbleiben contrainte par corps im obigen Sinne anwenden
können (vgl. auch art. 304). Wenn der Zeuge auf die zweite Vorladung hin
erscheint und genügende Entschuldigungen vorbringt, so kann ihm, nach Anhörung
der Staatsanwaltschaft, die Strafe erlassen werden (art. 81, 158, 189). — Bezüglich
des Schwurgerichtsverfahrens sind besondere Bestimmungen getroffen. Dabei ist
nämlich zu unterscheiden, ob das Ausbleiben resp. die Zeugniß= oder Eidesverweigerung
eine Vertagung der Verhandlung bis zur nächsten Session herbeigeführt hat, oder
ob innerhalb derselben Sitzungsperiode ein neuer Termin anberaumt wurde. Im
erstern Falle (über dessen Eintritt vgl. art. 354) werden dem ungehorsamen Zeugen
außer der nach art. 80 verwirkten Strafe, auf Antrag der Staatsanwaltschaft, nicht
auch des Angeklagten, durch ein Urtheil die sämmtlichen dadurch entstandenen Kosten