1434 Zinsen.
Zinsen (fenus, usurae) nennt man eine Quantität vertretbarer Sachen, welche
als der Ertrag einer anderen größeren Quantität gleichartiger Fungibilien (Kapital,
caput, sors) sich darstellt; dieser Ertrag wird von dem an dem Kapital gleich einem Eigen-
thümer Berechtigten dadurch gewonnen, daß das Kapital von einem Andern ihm
geschuldet und dieser entweder nach gesetzlicher Vorschrift oder nach Privatdisposition
verpflichtet wird, ihm, solange er das Kapital nicht heraus-, resp. zurückgegeben hat,
zu gewissen Zeiten eine Leistung gleichartiger Fungibilien zu machen, ohne daß diese
als eine Abschlagszahlung auf das Kapital anzusehen wäre. Wesentlich ist dem
Begriffe der Z. übrigens noch, daß deren Betrag zu einer gewissen Einheit der
Kapitalssumme in Beziehung gesetzt sei (Zinsfuß). Schon nach Römischem Recht
ward als regelmäßige Kapitalseinheit die Ziffer 100 betrachtet, nur rechnete man
nicht jährliche Prozente, wie heutzutage, sondern monatliche, sodaß z. B. semisses
usurae = 1·; Proz. monatlich, also 6 Proz. in unserem Sinne; indessen war
früher der Zins immer ein Bruchtheil des Kapitals (unciarium fenus = 1/12 Kapital
oder 8 1/8 Proz. jährlich), und so findet sich noch in nachkonstantinischer Zeit als
Regel eine andere Rechnungseinheit, der Solidus, von dem man ⅜4 (3 siliquae)
jährlich, also ½8 des Kapitals, berechnete (Marquardt, Nömische Staatsverwal-
tung, II. 57—683; Streuber, Der Zinsfuß bei den Römern, Basel 1857).
Nach dem Gesagten giebt es also nicht blos Geldzinsen, sondern auch Zinsen
von Feldfrüchten in Feldfrüchten bestehend (c. 11, 23 C. h. t.), von aurum, argen-
tum, vestis (c. 25 ib., wozu übrigens zu vgl. Ihering, Jahrb. f. Dogm. XII.
334 ff.) u. s. w. Indessen läßt man, wo die Leistung solcher Zinsen nicht ausge-
macht ist, bei derartigen Kapitalobjekten mit Recht stillschweigende Supposition des
Geldwerthes des Kapitals zu und verwandelt die Z. in Geldzinsen (vgl. fr. 3 § 4;
fr. 17 8 8 D. h. t.; c. 2 C. 4, 2), auch ist die Gewährung anderer Vortheile
C. B. habitatio, natürliche Früchte, c. 14, 17, 11 C. h. t.; fr. 11 §5 1 D. 20, 1)
anstatt der eigentlichen Z. durch Privatsdisposition nicht ausgeschlossen. — Nach
dem Gesagten können ferner die Z. nicht ohne einen Anspruch auf das Kapital ent-
stehen und bestehen, möge nun das Kapital vor Begründung des Zinsanspruchs in
den Händen des Forderungsberechtigten gewesen sein (z. B. regelmäßiges Darlehn)
oder nicht (z. B. gewöhnliche Schuldforderung auf vertretbare Sachen, Anspruch
wegen negotiorum gestio), und mag der Anspruch auf das Kapital ein dinglicher
oder perfönlicher sein. Mit völliger Aufhebung des Anspruchs auf das Kapital geht
demgemäß auch der Anspruch auf die Z. völlig unter (Windscheid, § 259, 8
und c. 26 pr. C. 4, 32). Dennoch kann die Zinsverbindlichkeit, welche an sich
stets eine obligatorische, nicht dingliche ist, in einem verschiedenartigen Verhältnisse
zur Verbindlichkeit auf Auslieferung des Kapitals stehen: entweder ist sie nur eine
Erweiterung der letzteren (gleich der Alluvion im Sachenrecht) oder sie führt neben
jener ein selbständiges Dasein (etwa gleich der insula in flumine). Ersteres war
nach Römischem Rechte der Fall, wo Z. „officio judicis praestantur“, Letzteres, wo
dieselben „in obligatione sunt“, d. h. die auf einem pactum bonaze fidei contractui
adjectum oder auf bloßer Rechtsvorschrift bernhenden Z. mußte der Richter, ohne
daß auf sie besonders geklagt worden war, zuerkennen, ja auf sie konnte nicht anders
als mit Einforderung des Kapitals zugleich geklagt werden; dagegen die in einem
negotium stricti juris beredeten Z. (stipulatio, Damnationslegat) mußten besonders
begehrt werden, weil sie auch besonders formell beredet werden mußten. Diese
Römisch-rechtliche Unterscheidung hatte noch andere Konsequenzen, so die, daß bei
den Offizial-Z. die Litiskontestation des Kapitalanspruchs den Anspruch auf die 3.
konsumirte, bei den anderen Z. nicht (Carus, a. a. O. § 8 S. 34 ff.). Dagegen
konnte Verpfändung und Verbürgung für die Kapitalschuld gewiß auch die blos in
obligatione befindlichen Z. und mußte nicht nothwendig die Offizial-Z. umfassen
(Windscheid, I. § 226, 5; II. § 477, 26, 28; Carus, a. a. O. S. 51, 52)
und für das heutige Gemeine Recht ist es überhaupt zweifelhaft, inwieweit der