860 Taxation der Grundstücke.
Bezirksrath) zu einer vorläufigen Festsetzung der Entschädigungssumme berufen sind,
welche rechtskräftig wird, wenn nicht innerhalb einer Präklusivfrist die Provokation
auf richterliche Entscheidung erfolgt (vgl. d. Art. Expropriation).
Die technischen Taxgrundsätze sind zum großen Theil durch Gesetze und Ver-
ordnungen bis ins Einzelne fixirt. Die Basis jeder Taxe bildet ein Grundanschlag,
zu welchem die genaue Vermessung und Bonitirung des Areals und seiner Bestand-
theile, sowie die Beschreibung und Inventarisirung der Gebäude, Pertinenzen, Ge-
rechtsame und Lasten gehört. Hinsichtlich des Bodens selbst findet sich dann meist
eine Scheidung nach Kulturarten einerseits (Ackerland, Gärten, Wiesen, Weiden, Hol-
zungen, Wasserstücke, Oedland, Unland), nach (in der Regel fünf bis sechs) Boni-
tätsklassen andererseits. Für die Werthschätzung in den einzelnen Klassen sind mit-
unter feste Sätze oder doch Maximalsätze vorgeschrieben. Auch kommen feste Sätze
für die Werthtaxe der Stücke des lebenden Inventars, Maximalsätze für die An-
setzung des Gesammtwerthes der Gebäude und des Inventars im Verhältniß zum
Grundwerth, fixirte Prozentsätze für die Kapitalisirung des Ertragswerthes wieder-
kehrender Hebungen und für die Berechnung der durch Lasten und Abgaben bewirkten
Werthminderung vor. Dabei divergiren die Bestimmungen mit Rücksicht sowol auf
die Art und den Zweck der Taxe als auf die Größe und Beschaffenheit des Grund-
stückes. In Preußen kommen hinsichtlich der Taxprinzipien neben den allgemeinen
Bestimmungen der Allgemeinen Gerichtsordnung (II. 6 98 12—16) namentlich
einerseits die Regeln über die Abschätzung des Grundsteuerreinertrages von 1861
(Ges. Samml. S. 257 ff., 304 ff. und 312 ff.), andererseits die landesherrlich ge-
nehmigten und befonders publizirten Taxordnungen (Taxregulative, Taxprinzipien)
der einzelnen Landschaften in Betracht (vgl. z. B. Taxprinzipien der Pommerschen
Landschaft vom 9. Juni 1857, Ges. Samml. S. 897—944 nebst revidirtem Regle-
ment vom 20. Oktober 1857, S. 974, §5§ 143—158; Abschätzungsgrundsätze der
Schlesischen Landschaft vom 14. März 1859, Ges. Samml. S. 133 ff. nebst Erlaß
vom 25. Febr. 1867, Ges. Samml. S. 392 und Nachtrag vom 25. Aug. 1871,
Ges. Samml. S. 349 ff.; Taxregulativ der neuen Westpreußischen Landschaft vom
3. Mai 1861, Ges. Samml. S. 222 ff.; Taxordnung des neuen landschaftlichen
Kreditvereins für die Provinz Posen vom 5. Mai 1866, Ges. Samml. S. 681 ff.).
Zu erwähnen ist schließlich die Taxation unter dem wahren Werth,
wie sie mitunter gesetzlich vorgeschrieben ist. So namentlich bei der bäuerlichen
Erbfolge, wenn zwar mehrere Erben gemeinsam in den Werth des Bauergutes suc-
cediren, dieses aber dem Anerben nach einer ihm günstigen „civilen“ oder „leid-
lichen“ Taxe (Erb= oder Grundtaxe, in Schleswig-Holstein Bruder= und Schwester-
taxe genannt) überlassen werden muß. Auf demselben Gedanken beruht das bereits
erwähnte Gesetz über die Abschätzung von Landgütern zum Behufe der Pflichttheils-
berechnung in der Provinz Westfalen vom 4. Juni 1856. Die Gesetze über das
Höferecht in Hannover vom 2. Juni 1874 und in Lauenburg vom 21. Februar
1881 enthalten in den §§ 15—16, resp. 14—15 die Bestimmung, daß bei den in
die Höferolle eingetragenen Höfen der Anerbe ein Drittel des Hofeswerthes, welcher bei
der Erbtheilung an die Stelle des ihm zufallenden Hofes nebst Zubehör tritt,
zum Voraus erhält, zwei Drittel in die Erbschaftsmasse einzuschießen hat; dabei
soll der Hofeswerth auf Grund einer Schätzung des im gegenwärtigen Kulturzustande
bei ordnungsmäßiger Bewirthschaftung von dem Hofe gewährten jährlichen Rein-
ertrages in der Weise ermittelt werden, daß dieser Ertrag nach Absetzung des muth-
maßlichen jährlichen Betrages der dauernden Lasten und Abgaben mit dem zwanzig-
fachen zu Kapital gerechnet und der nach einem durchschnittlichen Verkaufswerth zu
berechnende Werth des Hofesinventars diesem Kapital hinzugesetzt, der nach der
wahrscheinlichen Dauer berechnete Kapitalwerth vorübergehender Hofeslasten davon
abgezogen wird.