Zurechnungsfähigkeit. 1467
Bemerkenswerth ist auch die Plumpheit, Brutalität, Rücksichtslofigkeit, Unge-
schicklichkeit, Planlosigkeit der Handlungen, wie sie sich aus einem solchen Zustand
von Demenz und Bewußtseinsstörung ergeben muß.
5) Simulation von Geistesstörung. Soweit die Symptome von Geistes-
störung psychische sind, können sie simulirt werden. Simulation ist im Ganzen
selten. Viel häufiger wird sie irrthümlich vermuthet. Motive sind Entziehung der
Strafe, der Wehrpflicht, Löfsung widerwärtiger Verträge. Erfolgreiche Durchführung
der Simulation ist einem wirklich Sachverständigen gegenüber kaum möglich. Der
Simulant kann blos einzelne Symptome des Irreseins kopiren, aber nach schlechten
Originalen, wie sie gewöhnlich Bühnendichter und Romanschriftsteller schaffen und
die der Wirklichkeit nicht entsprechen. Indem der Simulant meint, in rechtem
Unsinnschwatzen und Umhertollen liege die Pointe des Irreseins, fehlt seinem Krank-
heitsbild die Methode, die der wirkliche Wahnsinn besitzt, ganz abgesehen von dem
Verlauf, dem inneren Zusammenhang der Symptomreihen, der Konseauenz in der
Dehauptung derselben und der Wiedergabe der äußeren facies des wirklich Geistes-
ranken.
Er wird nothwendig theatralisch, ostensibel, inkonsequent, sieht es gern, wenn
man ihn für irrsinnig hält, was beim wirklich Irren nicht der Fall ist. Fälle
ganz offenbaren Betrugs abgerechnet, ist es wünschenswerth, daß jeder der Simu-
lation Verdächtige in ein Irrenhaus zur Beobachtung abgegeben werde, denn nur
dort ist jene unablässige sachverständige Beobachtung durchzuführen, die gegenüber
raffinirter Gaunerei nöthig ist.
Simulation kann durch die damit verbundene psychische Anstrengung in wirk-
liches Irresein übergehen. Wol zu beachten ist ferner, daß Simulation neben wirk-
licher Geisteskrankheit vorkommt. Folgerichtig ist der Nachweis der Geistesgesundheit
nicht mit dem der Simulation erbracht, sondern nur dann, wenn auch das Fehlen
der Geisteskrankheit erwiesen ist. Der synthetische Weg der Beobachtung und Unter-
suchung ist gegenüber Fällen zweifelhafter Simulation der allein richtige. Einzel-
symptome sind nur im Zusammenhalt mit dem Gesammtbild zu verwerthen. In-
kongruenz desselben mit einer klassischen Form des Irreseins beweist nicht an und für
sich gegen Simulation, denn es giebt psychische Degenerationszustände, die nicht in
das gebräuchliche Schema der Klassifikation hineinpassen und gerade bei jenen findet
sich verhältnißmäßig häufig Simulation.
IV. Zustände krankhafter Bewußtlosigkeit. Es giebt eine Reihe
von unfreien Geisteszuständen, die ganz vorübergehender Art sind und, zwar recht-
lich gleichbedeutend mit Geisteskrankheit, doch nicht unter diesen Begriff sich sub-
sumiren lassen. Im Deutschen Straf GB. § 51 sind sie vorgesehen als Zustände
„krankhafter Bewußtlosigkeit“; das Oesterr. Straf GB. § 2 lit. c spricht von einer
vollen Berauschung oder einer anderen Sinnesverwirrung, in welcher der Thäter
sich seiner Handlung nicht bewußt war. Der Schwerpunkt der Entscheidung liegt
somit hier im Begriff der Bewußtlosigkeit. Dieser darf nicht im gewöhnlichen
Sinn, sondern muß im Sinne der Missenschaft interpretirt werden, sonst entstehen.
bedauerliche Mißverständnisse. Bewußtlosigkeit muß hier identisch genommen werden
mit Auphebung des Selbstbewußtseins. Ein solcher Zustand schließt die Möglichkeit
einer traumartigen psychischen Fortexistenz nicht aus, die sich in einer Anzahl schein-
bar gewollter, indeß nur automatischer Akte und zusammenhängender Reden äußert,
ohne daß jedoch der Betreffende sich derselben bewußt wäre oder eine Erinnerung
daran in den normalen selbstbewußten Zustand mit hinübernähme. Unter diese ge-
setzliche Kategorie gehören zunächst 1) die Traumzustände (Schlaftrunkenheit
und Schlafwandeln). Die erstere ist ein ganz transitorischer Zustand von Sinnes-
verwirrung, in welchem im Sinne noch nicht korrigirter Traumvorstellungen oder
falscher Apperceptionen der Außenwelt Handlungen vollbracht werden können, die
der Umgebung zum Schaden gereichen. Die Schlaftrunkenheit wird begünstigt durch