Zurechnungsfähigkeit. 1469
Schlaflosigkeit, stupor, Zittern der Extremitäten, kopiöse Schweiße und beängstigende
Gesichtshallucinationen sind, auf Grund deren Gewaltakte vorkommen.
Das delirium tremens ist nur ein interkurrenter Aufregungszustand im Verlauf
einer chronischen Degeneration des ganzen Centralnervensystems, des Alcoholismus
chron., dessen Symptome mehr oder weniger bei jedem Gewohnheitssäufer sich finden
und in Nachlaß des Gedächtnisses, Gemüths= und sittlicher Stumpfheit, Schwachfinn,
Willensschwäche, krankhafter Zornmüthigkeit, Kopfweh, gestörtem Schlaf, zeitweisen
Hallucinationen, Zittern der Zunge, Hände, schlotterndem Gang, Muskelschwäche,
Ameisenkriechen in den Beinen, Magenbeschwerden, mitunter auch epileptischen An-
fällen sich kundgeben.
3) Delirium in fieberhaften Krankheiten, Es findet sich auf der
Höhe der Krankheit (Fieberdelirium) oder in der Rekonvaleszenz (Inanitionsdelirium).
Namentlich bei Typhus, Wechselfieber, Cholera, Lungenentzündung, werden solche
Delirien beobachtet. Es kommt hier zuweilen zu Mord, Brandstiftung 2c. Auch
Ermordung des Kindes im Delirium eines Puerperalfiebers kommt vor. Anhaltspunkte
für die Beurtheilung einer kriminellen derartigen That ergeben der Nachweis der
fieberhaften Erkrankung, der Mechanismus der That, der ganz mit einer im Intoxi-
kationsdelirium begangenen übereinstimmt und die fehlende oder ganz traumartige
Erinnerung für die Vorkommnisse des unfreien Zustandes.
4) Epilepsie und Hysterie. Tiefe Störungen der psychischen Funktionen,
theils als ganz akute, theils in dauernder Weise, pflegen im Verlauf der genannten
beiden Nervenkrankheiten außzutreten. Namentlich bietet die Epilepsie eine Menge
der wichtigsten Gesichtspunkte für das Forum. Bei keinem Epileptiker sollte eine
Prüfung seines Geisteszustandes unterlassen werden. Fast immer, wo ein Mord ohne
Motiv, eigennützigen Zweck, ohne Prämeditation, ohne Berücksichtigung von Zeit,
Ort, Mitteln, begangen wurde, handelt es sich um die That eines Epileptischen
(Trousseau). Von größter Bedeutung sind die akuten psychischen Störungen der Epi-
leptiker (mania epileptica). Sie treten auf a) in unmittelbarem Anschluß an einen
oder als Vorläufer eines epileptischen Anfalls. Im ersten Fall bestehen sie in schreck-
haften Gehörs= und Gesichtshallucinationen (Ohrenbrausen, rothem Flammenschein),
Präkordialangst, rauschartiger Verwirrung, großer Reizbarkeit und schmerzlicher Ver-
stimmung, im zweiten in großer psychischer Prostration mit Unfähigkeit zu denken,
Verworrenheit, stupor, Reizbarkeit, schreckhaften Visionen, die zu Mord und Selbst-
mord führen können. Diefser eigenthümliche Dämmerzustand kann bis zu mehreren
Stunden andauern, der Kranke scheinbar bewußt und geordnet handeln, obwol sich
hinterher zeigt, daß der Kranke gar nicht weiß, was er in diesem Zustande gethan
hat. Zuweilen beobachtet man während dieser Zeit auch kleptomanische Antriebe.
b) Die intervallären psychischen Störungen sind theils elementare (üble Laune, Reiz-
barkeit, Präkordialangst, schreckhafte Hallucinationen, Zwangsvorstellungen, abruptes
und ganz transitorisches Verfolgungsdelirium, wobei denn die feindlichen Appercep-
tionen, Angstgefühle und Zwangsvorstellungen, nicht selten gefährliche Angriffe auf
die Umgebung herbeiführen), theils geschlossene Symptomenkomplexe. Es finden sich
hier wieder zwei Varietäten. Die eine (petit mal) ist ein Zustand akuter, binnen
Stunden ablaufender Präkordialmelancholie mit Drang, herumzuirren, Zwang
schmerzlicher Vorstellungen, zerstörenden, nur halbbewußten Antrieben, die ganz im-
pulsiv zur Ausführung kommen und wobei die Erinnerung für die Dauer des ganzen
Anfalls höchstens eine summarische ist. Die andere (haut mal) ist ein brüsk auf-
tretendes, mehrere Tage dauerndes furibundes Delirium, dem der exquisite schreckhafte
Inhalt der Wahnvorstellungen und Sinnesdelirien, die sich meist in grauenvollen
Visionen, Gespensterspak und Todesgefahr bewegen, die enorme Verworrenheit und
Bewußtseinsstörung ein ganz eigenthümliches Gepräge verleihen. Die Erinnerung
fehlt hier vollständig für die ganze Dauer des Anfalls, aus dem der Kranke wie aus
einem bösen Traum zu sich kommt. c) Anfälle von petit und haut mal vertreten