Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

1470 Zmechnungsfähigkeit. 
die Stelle der konvulsiven epileptischen Anfälle, die selbst ganz verschwinden können 
(epilepsia larvata, psychische Epilepsie). Es kann von höchster Wichtigkeit sein, die 
epileptische Basis dieser akuten psychischen Störung zu erkennen. Hier sind wichtig: 
Die Beachtung der im Obigen geschilderten intervallären Störungen. 
5) Der im Gefolge der Epilepsie sich ausbildenden dauernden Aenderungen des 
Charakters und der Beeinträchtigung der Intelligenz (psychische Degeneration der 
Epileptiker). Sie bestehen in progressiver Abnahme der intellektuellen Leistungen, Er- 
löschen der ethischen Gefühle, exzessiver Gemüthsreizbarkeit, motivlosem Wechsel. 
zwischen Exaltation und Depression, Intoleranz gegen alkoholische Getränke. 
7) Der Anamnese, die früher dagewesene Epilepsie nachweist. Diese zeigte sich 
häufig nur als epileptischer Schwindel (vertigo) ohne Krampfanfälle. Auch nächt- 
liches Bettnässen und Herausfallen aus dem Bett machen den Verdacht auf Epi- 
lepfie rege. 
0) Aber die Beachtung der Symptome und des Verlaufs des Anfalles selbst 
genügt nicht selten, um mit Bestimmtheit die Diagnose auf Epilepsie stellen zu 
können. Als der psychischen Epilepsie gemeinsame Zeichen lassen sich aufführen: die 
Plötzlichkeit und Unmotivirtheit des Anfalles, die enorme Verworrenheit und Be- 
wußtseinsstörung während dessen Dauer, der exquisit schreckhafte Inhalt des vorzugs- 
weise um Hallucinationen sich drehenden Deliriums; die aus diesem Bewußtseins- 
inhalt und der schweren Bewußtseinsstörung sich ergebende Heftigkeit und Brutalität 
etwaiger Gewaltakte; das plötzliche Aufhören des eigentlichen Anfalles mit nach- 
klingenden Erscheinungen pfychischer Prostration und großer Gemüthsreizbarkeit, die 
vollständige Amnesie oder höchstens traumhafte Erinnerung für die ganze Anfalls- 
dauer; das Stereotype solcher Anfälle, von denen jeder folgende dem ersten bis in's 
kleinste Detail gleicht. 
Im Zustand der epileptischen Degeneration und der „mania epileptica“ ist die 
Z. ausgehoben; aber auch der außerhalb dieser Zustände stehende Epileptiker sollte 
in seiner schweren Krankheit einen Milderungsgrund finden. Immer besteht auch 
hier die Möglichkeit, daß eine etwaige strafbare That in die Zeit eines epileptischen 
Dämmerzustandes fiel. 
Auch die Hysterie verdient alle Aufmerksamkeit in koro. Es finden sich hier 
theils elementare psychische Störungen (abnorme Gemüthsreizbarkeit, Zwangsvor- 
stellungen, Hallucinationen, Wechsel zwischen Exaltation und Depression, krankhafte 
Willensschwäche, perverse Gelüste kleptomanischer Art, krankhafte Sexualempfindungen 
und Steigerungen des Geschlechtstriebes), theils akute pfychische Störungen (akutes 
Delirium, maniakalische Exaltation, Extase und somnambule Zustände), theils Ueber- 
gänge in wirkliche dauernde Geistesstörung (moralisches Irresein, religiöser, erotischer 
Wahnsinn). Bekannt ist der, man möchte sagen, instinktive Hang zur Simulation 
und Uebertreibung, der Hysterischen eigenthümlich ist. Die Z. im transitorischen und 
chronischen Irresein muß als aufgehoben betrachtet werden, die elementaren Störungen 
dürften unter allen Umständen als Strafmilderungsgründe anzusehen sein. 
5) Pathologischer Affekt. Der Affekt hebt an und für sich die Z. nicht 
aus, aber als psychischer Ausnahmezustand, in welchem die Besonnenheit getrübt ist, 
macht er auf eine mildere Beurtheilung Anspruch, die auch der Gesetzgeber statuirt 
hat, ja selbst bei unverschuldetem, bis zur Sinnesverwirrung gesteigertem Affekt 
(Ueberschreitung der Grenzen der Nothwehr) Straflosigkeit eintreten läßt. Besonders 
der Milde des Richters zu empfehlende Affektzustände sind die Handlungen aus un- 
glücklicher Liebe (Doppelselbstmord Liebender), Eifersucht (Tödtung der Ehefrau im 
Ehebruch) und unehelich Gebärender (Kindesmord). Die Beurtheilung dieser Ver- 
hältnisse ist eine vorwiegend psychologische und fällt deshalb dem Richter anheim. 
Anders ist es mit gewissen Affektzuständen, wo auf Grund organischer konstitutio- 
neller Ursachen der Affekt eine pathologische Höhe erreicht. Hier ist die Intervention
	        
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