Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Zweite Hälfte. Stolgebühren - Zypaeus. (2.3.2)

864 Telegraphenverträge. 
Beförderung staatsgefährlicher, ordnungs= und sittenwidriger Telegramme zu verweigern, 
wie allgemein den internationalen Dienst, falls sie es für nöthig erachtet, einzustellen. 
Um die Reihenfolge in der Beförderung zu bestimmen, sind die Telegramme in 
Staats-, Dienst= und Privattelegramme getheilt: die ersteren beiden können überall 
in geheimer Sprache abgefaßt werden. Durch internationale T. sind die Staaten 
verpflichtet, alle nöthigen Einrichtungen für die schnelle und sichere Uebermittelung 
im internationalen Verkehr zu treffen. Das Depeschengeheimniß ist gewahrt. Eine 
Hastpflicht für pünktliche und richtige Beförderung bestand früher gar nicht: in 
neuerer Zeit wird bei gewissen Verspätungen oder Verstümmelungen von Tele- 
grammen die entrichtete Gebühr zurückerstattet (Telegraphenordnung § 24), und ist 
es den Vereinsverwaltungen erlaubt rekommandirte Depeschen (mit Ersatz von 
50 Francs) zuzulassen: prinzipiell wird jedoch auch jetzt noch jede Verantwortlich- 
keit abgelehnt (Art. 3). — Der internationale Schutz der Telegraphenleitungen be- 
darf noch der völkerrechtlichen Regelung; doch scheint es fast unmöglich dem 
Telegraphen, so lange er zu Kriegszwecken benützt wird, das Privilegium der Un- 
verletzlichkeit ertheilen zu können (Renault, Revue de droit internat. Bd. XII. 
Heft 3). Gebührensätze und Reglement sind dem T. angeschlossen, sie werden von 
Zeit zu Zeit Revisionen unterworfen, in Konferenzen, bei welchen jede Regierung 
eine Stimme hat, und zu welchen die Privatgesellschaften, jedoch nur mit berathender 
Stimme, zugelassen sind (Art. 10—13, 15, 16). 
Neben diesem internationalen T. bestehen zwischen den verschiedenen Staaten noch 
heute eine große Anzahl von einzelnen T., die allerdings weit weniger die organisa- 
torischen, als fast ausschließlich die Tarifbestimmungen zum Gegenstand haben. Diese 
Verträge bilden, wie dies zuweilen am Schlusse sogar ausdrücklich ausgesprochen wird 
(vgl. z. B. Postamtsblatt 1878, Anlage zu Nr. 71, S. 4), im Zusammenhang mit dem 
internationalen T. und dem Reglement das gesammte Telegraphenrecht zwischen den 
betreffenden Staaten. Von der Freiheit des Art. 17 des Petersburger Vertrages Ge- 
brauch machend, hat Deutschland in den letzten Jahren mit fast allen europäischen 
Staaten besondere Uebereinkommen getroffen (mit Großbritannien, Rußland, Nor- 
wegen, Oesterreich, Belgien, vgl. Amtsblatt des Reichspostamtes 1878 S. 87, 293, 
383; 1879 S. 123, 335; 1880 S. 289). 
Die rechtliche Bedeutung der T. vom privatrechtlichen Standpunkte ist die, 
daß ihre Bestimmungen im letzten Grunde die maßgebenden sind. Es ist zwar 
behauptet worden (Reyscher, Zeitschrift für Deutsches Recht, XIX. S. 308; 
Mittermaier, Civil. Archiv XLVI. S. 40), daß die T. das bestehende Landesrecht, 
3 B. in Bezug auf die Haftpflicht, abzuändern nicht fähig sind. Dies ist irrig; für 
das die internationalen Telegraphen benutzende Publikum ist zur Zeit das inter- 
nationale Reglement, dessen Bestimmungen bis 1875 faktischer Bestandtheil der T. 
bildeten und noch jetzt als integrirender Bestandtheil derfelben zu betrachten sind, 
die tacita lex contractus, und beruht der ganze internationale Verkehr zunächst auf 
den T. Auch haben de facto gerade im Telegraphenverkehr die internationalen 
Normen die landesgesetzlichen Bestimmungen beeinflußt. Im Gegensatz zu anderen 
Gebieten hat hier das internationale Recht die Normen aufgestellt, welche sich als- 
dann die einzelnen Regierungen, als auch für den inneren Verkehr maßgebende, zu 
eigen gemacht. So ist z. B. die neueste Deutsche Telegraphenordnung vom 13. Aug. 
1880 ausdrücklich „behufs Herbeiführung thunlichster Uebereinstimmung der für den 
inneren Verkehr bestehenden Vorschriften mit den bezüglichen Bestimmungen der 
Londoner Ausführungsübereinkunft zum internationalen T.“ erlassen. 
Um schließlich noch die staats= und völkerrechtliche Natur der T. zu kenn- 
zeichnen, wird bemerkt, daß dieselben in vielen Staaten der Genehmigung durch die 
Volksvertretung nicht bedürfen, ein Nachklang der sog. „diplomatischen“ Natur der T. 
Auch im Deutschen Reiche findet für die T. eine Mitwirkung des Bundesrathes oder- 
Reichstages nicht statt, was sich unzweifelhaft aus Art. 11, Abs. 2 in Verbindung
	        
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