Zwischenherrschaft. 1503
die Mutter, welche mit einem anderen als dem Vater des Mündels verheirathet ist,
ihres gesetzlichen Anrechtes auf Berufung als Vormünderin für verlustig, und
gewährt (§ 64) dem Vormundschaftsgericht, wenn sich die zur Vormünderin bestellte
Mutter erst später wieder verheirathet, das Recht, sie nach Anhörung der näheren
Verwandten und Verschwägerten des Mündels der Vormundschaft zu entheben. Der
Code civ. hält dagegen zunächst die Bestimmung des Röm. Rechts aufrecht, daß
der eine z. E. abschließende Gatte dem anderen nicht mehr als dem mindestbedachten
Kinde erster Ehe zuwenden kann, und es soll weder die gesetzliche, noch die vertrags-
mäßige Gütergemeinschaft die Folge haben, diese Grenze zum Nachtheil der Kinder
zu beseitigen (art. 1098, 1496, 1527). Der sich wiederverheirathende Vater ist in
seinem Rechte, sein Kind behufs der Besserung desselben einsperren zu lassen, ein-
geschränkt (art. 380, 381); die Mutter verliert den Nießbrauch am Vermögen ihrer
Kinder erster Ehe (art. 386), ferner muß sie, wenn sie Vormünderin ihrer Kinder
ist, bei Strafe des Verlustes der Vormundschaft, vor der Wiederverheirathung bei
dem Familienrath anfragen, ob ihr dieser dieselbe belassen will (art. 395), und end-
lich hat sie, wenn ihr die Vormundschaft genommen worden, kein Recht, ihren.
Kindern erster Ehe einen Vormund zu wählen (art. 399).
Quelen: C. 5, 9 de secund. nuptiis; Nov. 22 c. 20 ss.
Lit.: Marezoll, Zeitschrift für Civilrecht und Proz. V. 364 ff. — v. Löhr, Archiv.
für die civ. Praxis XVI. 31 ff. — Geiger, Zeitschr. f. Civilrecht u. *“x s .
. L tus.
Zwischenherrschaft. Wenn durch eine Revolution die bisherige rechtmäßige
oder für rechtmäßig gehaltene Obrigkeit gestürzt und eine neue Regierungsform ein-
geführt oder doch an die Stelle des vertriebenen Staatsherrschers ein neuer Souverän
gesetzt wird, so entstehen zwei Fragen: erstens: in welchem Verhältniß befindet sich
die neue revolutionäre Obrigkeit zu der bisherigen Rechtsordnung und zu dem ver-
triebenen Monarchen? und zweitens: in welchem Verhältnisse befindet sich die recht-
mäßige Obrigkeit nach der etwaigen Vertreibung des revolutionären Machthabers,
bzw. nach dem Umsturze der durch die Revolution geschaffenen Verfassung zu den
während der Zwischenzeit ergangenen Regierungshandlungen? Die gleichen Fragen
werfen sich auch dann auf, wenn das Faktum, welches den bisherigen Souverän
eines Landes seiner Regierung beraubt, nicht innerhalb, sondern außerhalb des
Staates seinen Ursprung hat, d. h. wenn die Anwendung kriegerischer Gewalt zu
der Vernichtung des Staates durch Eroberung geführt hat.
Die Antwort auf die erste der beiden Fragen ist verschieden, je nachdem es
sich um die Stellung einer revolutionären Regierung oder um diejenige eines fremden
Eroberers handelt.
Das Verhältniß des letzteren zu der Rechtsordnung des unterworfenen Staates
wird nämlich durch den völkerrechtlichen Satz bestimmt, daß der Krieg nur gegen
die feindliche Staatsgewalt, nicht aber gegen die unbewaffneten Bewohner des feind-
lichen Staates geführt wird. Hieraus ergiebt sich einmal, daß auch eine vollständige
Unterwerfung des Staates dem Eroberer nicht das Recht giebt, die Privatrechte der
einzelnen Bürger anzutasten, zu verletzen oder aufzuheben. Aus dem gedachten
Satze ergiebt sich aber auch weiter, daß mit der vollkommenen Vernichtung des
feindlichen Staates alle diejenigen Rechte und Normen hinfällig werden, welche in
irgend einer Beziehung die Existenz des vernichteten Staates zur Voraussetzung
haben, also entweder dem Gebiete des Verfassungsrechts oder demjenigen des Ver-
waltungsrechts angehören. Das Fortbestehenlassen der öffentlichen Rechtsordnung
wäre somit nur ein willkürlicher Gnadenakt des Eroberers; ein Recht auf die Er-
haltung der bisherigen Verfassung hat das unterworfene Land nicht, und die Be-
hauptung von Hugo Grotius, auch der Sieger könne keine anderen Regierungs-
rechte in dem eroberten Lande ausüben, als sein depossedirter Vorgänger gehabt, ist
deshalb als irrig zu verwerfen. Nur Eine Schranke setzt das Völkerrecht der durch