802 Strafbefehl.
erhebungen haben der Entscheidung des Amtsrichters nicht vorauszugehen (Löwe,
S. 721).
Der Amtsrichter erläßt den S. nur, wenn er mit dem Antrage der Staats-
anwaltschaft vollständig (also auch hinsichtlich der juristischen Qualifizirung des
Falles) einverstanden ist. Hält der Amtsrichter die Strafverfolgung des betreffenden
Falles für unzulässig (Unzuständigkeit des Gerichtes, Verjährung, Fehlen des
Antrages), so erfolgt Zurückweisung des Antrages durch Verfügung, gegen welche
die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde einlegen kann
(Strafp O. § 209 Abs. 2). Hält der Amtsrichter die Strafverfolgung zwar für
zulässig, findet jedoch Bedenken, die Strafe ohne Hauptverhandlung festzusetzen,
so muß er, wenn eine Verständigung hierüber zwischen der Staatsanwaltschaft und
dem Amtsrichter nicht erfolgt, die Strafsache zur Hauptverhandlung bringen. Dies
gilt auch für den Fall, wenn der Amtsrichter eine andere als die von der Staats-
anwaltschaft beantragte Strafe festsetzen will. Der Staatsanwaltschaft steht kein
Rechtsmittel zur Verfügung, wenn der Amtsrichter beschließt, die Straffache zur
Hauptverhandlung zu bringen. Ein Beschluß auf Eröffnung des Hauptverfahrens
ist übrigens nicht in allen Fällen erforderlich, bei Uebertretungen kann unter gewissen
Bedingungen (Straft O. § 211) ohne eine Entscheidung über die Eröffnung des
Hauptverfahrens zur Hauptverhandlung geschritten werden.
Der S. muß nach der StrafP O. § 449 Folgendes enthalten: 1) die strafbare
Handlung, und zwar nicht blos die gesetzlichen Merkmale des Thatbestandes, sondern.
die konkreten Thatsachen, in welchen jene Merkmale gefunden werden (Löwe, S. 722),
2) die hierfür festgesetzte Strafe, 3) das angewendete Strafgesetz, 4) die Beweis-
mittel und 5) die Eröffnung, daß der S. vollstreckbar werde, wenn der Beschuldigte
nicht binnen einer Woche nach der Zustellung bei dem Amtsgerichte schrift-
lich oder zu Protokoll des Gerichtsschreibers Einspruch erhebe. Die Vorschrift
der StrafP O. über den Inhalt des S. ist nicht erschöpfend. Der S. muß viel-
mehr noch eine Bestimmung über die Kosten (StrafPO. § 496 Abf. 1) enthalten
(vgl. Gerichtskostengesetz 9§ 62, 63 Abs. 1). Auch empfiehlt es sich die Kasse zu
bezeichnen, an welche die etwaige Geldstrafe bzw. die Kosten zu zahlen sind.
Der S. wird rechtskräftig und damit vollstreckkar, wenn die Einspruchsfrist
abgelaufen, ohne daß Einspruch erhoben ist, oder wenn der erhobene Einspruch vor
dem Beginne der Hauptverhandlung zurückgenommen oder auf den Einspruch vor
Ablauf der Frist verzichtet ist. Wird Einspruch erhoben, so kommt die Strassache
zur Hauptverhandlung vor dem Schöffengerichte; vgl. den Art. Einspruch im
Strafprozeß.
Nach der Oesterr. Strafpt O. § 460 kann der Richter die verwirkte Strafe
auf Antrag des mit den staatsanwaltschaftlichen Verrichtungen betrauten Beamten
ohne vorausgehendes Verfahren durch Strafverfügung festsetzen, wenn die straf-
bare Handlung nur mit Arrest von höchstens einem Monat oder nur mit Geldstrafe
bedroht ist. Die Erledigung durch Strafverfügung ist jedoch nur gegen einen auf
freiem Fuße befindlichen Beschuldigten zulässig, wenn die strafbare Handlung von
einer öffentlichen Behörde oder solchen Personen, welche als Gerichtszeugen beigezogen
werden können (Oesterr. StrafG B. § 68), auf Grund ihrer eigenen amtlichen Wahr-
nehmungen angezeigt wird. Durch diese Bestimmung ist allerdings eine große
Garantie für das fortfallende Verhör des Beschuldigten geschaffen, die Zahl der
strafbaren Handlungen, welche durch richterliche Strafverfügung erledigt werden
können, jedoch wesentlich eingeschränkt.
Gsgb.: Deutsche StrafPO. §§ 447—452. — Oesterreich. StrafPO. §§ 460—462.
Lit.: Planck, Syst Darstellung des Deutschen Strafverfahrens (1857), S. 495 ff. —
Zachariä, Handb. Tautschen StrafPrz., Bd. II. (1868) S. 394 ff. — Löwe, Komment.
(2. Aufl.), S. 718 ff. — Meves in v. Holtzendorff' Handbuch des Deutschen Straf-
Eoniufl.) 35 Bd. II. (1879) S. 384—406. — v. Schwarze, Erörterungen, Heft I. (1880)