876 Thatbestand.
Die Unterscheidung zwischen subjektivem und ebjektivem T. hingegen läßt sich
süglich für das System des allgemeinen Theils im Strafrecht verwenden. Man
wird, da das Verbrechen, wie schon bemerkt, eine Willens= und eine Thatseite hat,
und da die Genesis der Handlung von innen nach außen, vom Wollen und Sich-
Entschließen zur Ausführung fortschreitet, dabei zuerst zu sprechen haben von der
inneren Seite des Verbrechens, dann von der äußeren. Im besonderen Theil so-
dann macht sich die Gliederung der Verbrechen in Gattungen, Arten und Unter-
arten geltend. So giebt es denn einen gemeinsamen T. z. B. für die Gattung
der Staatsverbrechen (ihre direkte Richtung gegen den Staat), für die Vermögens-
verbrechen (Verletzung fremden Vermögens) u. s. w. Scheidet sich aus der Gat-
tung der letzteren z. B. der Diebstahl als Verbrechensart aus, so ist sein T. relativ
ein besonderer gegenüber dem allgemeinen der Vermögensverbrechen. Aber die Beson-
derung geht noch weiter zu den Unterarten des Einbruchsdiebstahls, des räuberischen
Diebstahls u. s. w., welche wieder ihren besonderen T. gegenüber dem (relativ) all-
gemeinen des Diebstahls haben. Jene Merkmale, welche der besondere T. einer Ver-
brechensunterart als ein Plus außer dem (allgemeinen) T. der Verbrechensart auf-
weist, nennt man Qualifikationsumstände im weiteren Sinne. Im eigent-
lichen Sinne nennt man ein gualifizirtes Verbrechen diejenige Verbrechensunterart,
welche mit härterer Strafe bedroht ist, als die ihr übergeordnete Verbrechensart,
dagegen wenn jene mit milderer Strafe bedroht ist, man von privilegirten Verbrechen
(wie z. B. dem Verbrechen des Kindesmords, oder dem Vergehen der Tödtung eines
die Tödtung Verlangenden) spricht. (Nur theilweise trifft mit dem Gesagten zu-
sammen die Unterscheidung, welche Binding zwischen Normwidrigkeits= und Straf-
barkeitsmerkmalen trifft. Je nachdem man die „Norm“ enger oder weiter faßt,
verrückt sich auch die Grenze der ersteren gegen die letzteren.) —
Fassen wir die Elemente des allgemeinen T. in dem oben angegebenen
Sinn näher ins Auge, so müssen wir davon ausgehen, daß das Verbrechen ein
unter ein staatliches Strafgesetz fallendes menschliches Verhalten ist. Hiernach gehört
zum T. des Verbrechens: 1) Schuld des Verbrechers, sei es Dolus oder Kulpa,
die beide zur weiteren Voraussetzung die Zurechnungsfähigkeit des Wollenden
haben. Zurechnungsunfähigkeit schließt die Schuld aus. Die letztere ist aber auch
ausgeschlossen, wenn die Zurechnungsunfähigkeit etwa nur von Seiten des Staats,
wie im Nothstand, fingirt wird oder wenn dieser sich bkmüssigt fühlt, an den
Selbsterhaltungstrieb auch im Fall der Nothwehr eine Konzession zu machen. Der
Dolus fällt ferner weg in Folge eines Irrthums; wenn dieser unvermeidlich (im
Sinn des Strafrechts) war, schließt er selbst die Kulpa aus. 2) Es muß eine
Thätigkeit vorliegen, welche auf den Willen des Zurechnungsfähigen als eine ihrer
Ursachen zurückzuführen ist, es muß also Kausalzusammenhang zwischen der
That und dem Wollen vorliegen. Dieser ist unter Anderem ausgeschlossen, wenn
die Thätigkeit durch mechanischen unwiderstehlichen Zwang hervorgerufen war.
3) Besondere Kombinationen ergeben sich, wenn das Verbrechen das Produkt des
dolosen Zusammenwirkens mehrerer Theilnehmer war oder wenn es in dem Stadium
des Versuchs stecken geblieben ist. Auch in dem letzteren Fall liegt der subjektive
und objektive T. eines Verbrechers vor, weil sich die Strafdrohung begriffsmäßig
gegen jede absichtliche Thätigkeit richtet, welche für die Vollendung des Verbrechens
kausal werden kann. Im Fall der sog. untauglichen Versuchshandlungen allerdings
mangelt der objektive T. gänzlich; sie fallen also unter den Begriff des „Mangels
am T.“, welchen einst Feuerbach unrichtigerweise zu einem Milderungsgrund
machen wollte. Ueberall wo ein Mangel am T. vorliegt, also Schuld oder Kausal-
zusammenhang fehlt, liegt aber kein Verbrechen vor, kann sonach keine Strafe eintreten.
Von „Feststellung des T.“ spricht das GVG. in § 185, während in der
StrafPO. § 86 der Ausdruck: Feststellung des „Sachbestands“ vorkommt. Das
Straf GB. § 59 redet von Thatumständen, welche „zum gesetzlichen T. gehören“.