Thronfolge. 885
Die T.ordnung ist nach heutigem Rechte zunächst eine Linealordnung; die
einzelnen Linien innerhalb der Verwandtschaft werden als selbständige Gemeinschaften
betrachtet, indem die Erbfolgeordnung sich nach der Nähe der Linien zum Erblasser
bestimmt. Die erste Linie bilden demgemäß die eigenen Descendenten des Erblassers,
diese succediren mit Ausschluß aller übrigen erbberechtigten Verwandten; die zweite
Linie bilden diejenigen, welche vom Vater des Erblassers abstammen, also die
Brüder des Erblassers und deren ganze Descendenz; die dritte Linie bilden die-
jenigen, welche vom Großvater des Erblassers abstammen 2c. Wie es sich auch im
Allgemeinen mit dem Linealsystem als Prinzip des älteren Deutschen Erbrechts ver-
halten möge (vgl. Lewis, Münchener Krit. Vierteljahrschrift, Bd. IX. S. 23,
und Wasserschleben, Das Prinzip der Erbfolge nach den älteren Deutschen und
verwandten Rechten, Leizig 1870), so steht doch unzweifelhaft fest, daß dieses Lineal-
system jedenfalls in der Sphäre des hohen und niederen grundbesitzenden Adels
gegolten habe, und daß dasselbe insbesondere noch heutzutage nach Hausgesetzen und
Verf. Urk. das beherrschende Prinzip für die Ordnung der T. in Deutschland ist.
Die T. ordnung ist aber nach heutigem Recht zweitens eine Individualsuccession, so
daß von mehreren in derselben Linie gleichzeitig dem Grade nach Berufenen immer
nur einer zur T. gelangt. Die Individualsuccession kann aber, abgesehen vom
Seniorat (physisches Alter), nach einem doppelten Systeme bestimmt werden, näm-
lich entweder nach einfacher Gradesnähe (natürlich innerhalb der Linie), sog. Majorat,
so daß also nach dem unbeerbten Tode des ersten Bruders der dritte Bruder, nicht
aber der Sohn des verstorbenen zweiten Bruders folgen würde (beim Tode Friedrich's
des Großen Prinz Heinrich und nicht Friedrich Wilhelm II.). Dies ist das frühere
gemeinrechtliche System, das System der Goldenen Bulle und der älteren Haus-
gesetze, deren Vorschriften aber an großer Unbestimmtheit leiden. Das andere
System zur Herbeiführung einer Individualsuccession ist die Primogenitur, wonach
jeder Frühergeborene und die ganze Linie des Frühergeborenen mit unbegrenzter
Repräsentation jedem Spätergeborenen vorgeht; diese Primogeniturordnung ist nicht
blos die konsequenteste Ausbildung des Linealsystems, sondern empfiehlt sich für die
Staatssuccession auch dadurch, daß mehr wie bei jedem anderen System eine feste
unabänderliche Reihe hergestellt wird, so daß ein Ueberspringen von einer Linie in
die andere nicht leicht stattfindet. Die Primogeniturordnung ist denn auch seit dem
17. Jahrhundert überall herrschend geworden, auch mit Abänderung, resp. Umdeutung
früherer Festsetzungen. — Sofern den Kognaten ein subsidiäres T.recht nach älteren
Privilegien oder nach den neueren Verfassungen eingeräumt ist, so gilt über die
T.ordnung Folgendes. Zunächst hat die Erbtochter und deren Descendenz, d. h.
diejenige Frau, welche mit dem letzten Besitzer am nächsten verwandt war, den Vor-
zug vor der sog. Regredienterbin und deren Descendenz, d. h. derjenigen Frau, die
mit dem ersten Erwerber am nächsten verwandt war. Denn wenn auch die
Regredienterbin durch die agnatische Erbfolge zunächst benachtheiligt ist, und in vielen
Fällen sogar Erbverzichte unter Vorbehalt des T.rechts für den Fall des Erlöschens
des Mannsstammes ausgestellt sind, so bilden doch die Erbverzichte in keiner Weise
den Rechtsgrund, auf dem die Ausschließung der Frauen beruht, sondern sind ledig-
lich Sicherungsmaßregeln, um das ältere Deutsche Land= und Lehnrecht, welches die
Frauen generell von der Erbfolge in Immobilien (bei Allodien bis zum Erlöschen.
des Mannsstammes, beim Lehn gänzlich) ausschloß, gegen das eindringende Röm.
Recht zu schützen. Beim Eintritt der kognatischen T. ist zwar in der Regel die
wirklich berufene Frau auch zur Regierung berechtigt, indessen geht auch vielfach
bei gleichem Grade das männliche Geschlecht dem weiblichen vor, der Bruder seinen
älteren Schwestern, nicht aber der Neffe der Tochter, und vereinzelt findet sich sogar
die Bestimmung, daß auch beim Eintritt der kognatischen T. nur Männer berufen
werden sollen, so daß also die T. nur ratione transmissionis eine weibliche ist.
Nach stattgehabtem Uebergange des T.rechts an die weibliche Linie verwandelt sich