Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artikel 23. Biemarck. 91 
werthen können, wenn er der Ausdruck ist des sreien und unabhängigen 
Willens der Deutschen Nation, und wenn er von dieser erhabenen Stellung 
aus mit der ganzen Autoritäk, die er in dieser Stellung und nur in dieser 
Stellung genießt, das Verfassungewerk der Reglerungen mit im- 
posanter Mehrheit saune ionirt. (Bravol) Sollte aber der Fall ein- 
treten, daß wirkliche dlreete Verwickelungen mit dem Auslande 
heranziehen, wovon doch bie jetzt — soviel ich als allerdinge hierin wenig 
unterrichteter Meusch beurtheilen kann (Heiterkeit rechts) — nur einzelne aller- 
dungs nicht ganz unverdächtige Anzeichen vorhanden find, (Ahal rechts) sollte 
dieser Fall wir klich eintreten, dann werden wir, so hoffe sch, ohne 
irgend einen Unterschled der Partelen, der ganze Reichstag von 
linke bis rechts, zeigen, daß wir den Interessen der Nation 
wenigstens vorübergehend sogar die Freiheit opsern, und daß 
uns das Vaterland höher steht, als jede Partei, und nameatlich auch, 
als die eigene Partei. (ebhaftes Bravol) 
Präsident der Bundeseommissarien Ministerpräsident Graf Hismarck,“) 
Ich glaube der Herr Vorredner schlägt das Gewlcht des Bundeskanz= 
lers doch zu hoch an, wenn er der Meinung ist, daß ohne seine An- 
wesenheit unter Umständen der Reichstag auf die Linie zurücksin- 
ken könne, die er bezeichnete. Ich halte diesen Zusatz eigentlich 
für Überstüsslg. Die Regierungen haben ja das größte und dringeudste 
Interesse, ihre Angelegenheiten beim Reichstage zu vertreten und hier zu er- 
scheinen. Ich kann mir nur In dem Fall die Abwesenheit jedes Ver- 
treters der Regierungen als möglich denken, daß eben die Regierungen 
ein dringendes Bedürfniß hätten, über die vorliegende Frage zu schwei- 
gen. Wollen Sle nun In dem Fall gewlssermaßen durch einen 
Haftbefehl den Bundeskanzler zwingen, dah er sich Ihnen zeigt, 
so weiß ich doch nicht — wenn ich mich in seine Stelle denle — welche 
Gewalt, welche parlamentarlsche wenlgstens, mich zwingen könnte, 
zu reden, wenn ich schweigen will, und die bloße schwelgende Anweseuheit 
würde unter Umständen für die Reglerungen elne Verlegenheit, für den per- 
sönlich Bethelligten gewiß eine sein, namentlich aber unter Umständen in 
auswärtigen Fragen für die Reglerungen. Es kann ja sein, daß gerade 
durch lhre Abwesenheit dle Reglerung bei einer solchen Gelegenheit 
die Berhandlungen des Reichstages von jeder Rücksicht entbin- 
den wollte. Es kann ja sein, daß fie sch weigen will, und jedes Schwel- 
gen hat lmmer elwas von dem, welches zuzustimmen scheint, wenn man wirk- 
lich dabel sitzt. Aber ich kann mir nur sehr wenig Füälle der Art denken, 
wo die Regierungen darüber elnig sein sollten, trotz des vom Reichstage ge- 
äußerten Wunsches nicht zu kommen. Das sähe ganz so aus wie muth- 
*) St. Ber. S. 445.
	        
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